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Dieses reine Sein, weil es nicht bis zur Bestimmung der unendlichen Subjektivität fortgeführt ist, gibt den indischen Pantheismus, wie zugleich insofern den Monotheismus, weil das reine Sein das Eine ist. Colebrookes so häufig angeführtes Resultat aus der Kenntnis der Wedas (Asiatic Researches, Vol. VIII), daß die alte indische Religion nur einen Gott anerkennt, aber das Geschöpf nicht hinlänglich von dem Schöpfer unterscheidet, hat zwar die nähere Bestimmung, daß ursprünglich die Sonne als die große Seele (Mahanatma) gefaßt worden ist; aber insofern es nur um solchen Monotheismus zu tun ist, bleibt derselbe oder ist vielmehr reiner vorhanden im Brahman. Dieser Monotheismus ist aber ebenso wesentlich Pantheismus; denn wenn das Eine auch als Wesen oder als die Abstraktion des Allgemeinen bestimmt wird, ist es um dieser Abstraktion selbst willen die Unmittelbarkeit und darum allerdings, als das Sein der Dinge, immanent und identisch mit ihnen, das Geschöpf insofern nicht vom Schöpfer unterschieden; allein dies immanente Sein ist darum nicht die konkreten und empirischen Dinge und deren Endlichkeiten, sondern vielmehr nur das Sein ihres Daseins, die unbestimmte Identität. Dies ist es, was die Unvollkommenheit der Kategorie der Substanz ausmacht, daß es in die Betrachtung des äußerlichen, denkenden Subjekts gelegt ist, die Unterscheidung zu machen, in dem Anschauen und Bewußtsein der endlichen, einzelnen Dinge von ihrer Endlichkeit und Einzelheit zu abstrahieren und die Substanz, das eine Sein, festzuhalten. Ich habe es anderwärts (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, 2. Ausg. [1827], S. 519 ff. und Vorr. S. XIII ff.) ausführlicher gerügt, daß es heutigentags besonders bei den Theologen, welche die Vernunft nicht von dem Verstande, nicht einmal die Substanz von der Akzidentalität zu unterscheiden wissen, vielmehr überhaupt das Vernünftige zur Albernheit verkehren und dichten, Mode ist, den Pantheismus gerade in sein Gegenteil zu verkehren, indem sie versichern, durch ihn werde das Unendliche zu endlichen Dingen, das Gute zum Bösen usf. und hiermit ebenso das Endliche, als affirmativ bestehen bleibend, zum Unendlichen, das Böse, als solches seiend, zum Guten gemacht. Sie fassen so den Pantheismus als eine Allesgötterei auf, als ob ihm die einzelnen Dinge und deren empirische endliche Existenz als solche für göttlich oder gar für Gott gehalten würden. Es wäre nur dem Vieh, als welches Anschauungen wie auch Vorstellungen von Bildern hat, aber als nicht denkend nicht zum Allgemeinen kommt, solches Dafürhalten zuzuschreiben, und unter den Menschen gehört nur jenen Erfindern solcher Behauptung eine solche Vorstellung an.
Der Unterschied der Erkenntnis in dieser Rücksicht ist sehr gut in dem Bewußtsein der Inder und in der von Herrn von Humboldt S. 13 angeführten XVIII. Lektion, sl. 20 bis 22 angegeben. Die wahrhafte Erkenntnis, heißt es daselbst, ist, in allem, was existiert, nur das eine unveränderliche Prinzip, das Ungeteilte in dem Teilbaren zu sehen. Die zweite Erkenntnis ist, die verschiedenen (besonderen) Prinzipien in den einzelnen Dingen zu erkennen, - noch beschränkte Allgemeinheit, wie unsere allgemeinen Naturkräfte usf. Die wichtigste Erkenntnis, die der dritten Qualität, der Finsternis, ist aber die, nur vom Einzelnen zu wissen, als ob ein solches ein Ganzes für sich wäre, ohne ein allgemeines Prinzip. Von solcher absoluten Selbständigkeit der einzelnen Dinge und deren Bestimmtheiten kommt jene heutige Vorstellung des Pantheismus nicht hinweg, und da es die ausdrücklichste Bestimmung des Pantheismus ist, daß die einzelnen Dinge und alle endlichen Qualitäten als nicht selbständig, vielmehr als in dem reinen Sein aufgehobene, negierte zu fassen seien, so ist es in der Tat nur die eigene Unfähigkeit der Subjekte, die sich jene falsche Vorstellung machen, sich von dem Glauben an die Selbständigkeit, an die Absolutheit des Endlichen nicht losmachen und das Faktum nicht richtig auffassen zu können.
Es sind lange Tiraden im Gedichte, in denen Krischna dieses allgemeine Sein von sich ausspricht. Lekt. VII: Ich bin der Geschmack in den Wassern, der Glanz in der Sonne und Mond, das mystische Wort in den heiligen Büchern, der Ton in der Luft, das Wissen der Wissenden usf. Weiter Lekt. X: Unter den Aditiaden bin ich Wischnu, unter den Sternen die Sonne usf., unter den Rudras bin ich Schiwa usf. Diese Tiraden, die anfangs erhaben lauten, macht die Monotonie bald gleichgültig; zunächst sprechen sie aus, daß Krischna in allem Einzelnen das Wesentliche, das Prinzip sei, welches jedoch wie Geschmack, Glanz usf. selbst noch etwas Beschränktes ist. - In diesen Tiraden führt dann auch Herr von Schlegel, beiläufig gesagt, die oben bemerkte Weise des Übersetzens nicht durch; diese Stellen strotzen von unübersetzten Eigennamen; auch Schiwa heißt nicht etwa numen destruens, fatum oder dergleichen, wie statt Krischna immer numen almum steht. - Jene vielen besonderen Allgemeinheiten werden aber selbst absorbiert in das Eine, Brahman, das Krischna ist.
Wenn hier Krischna sagt, er sei Schiwa, so gibt Schiwa, wenn er seinerseits loslegt, dies dem Krischna heim und sagt, er sei Krischna. In Oupnekat IX, der dem Schiwa gewidmet ist, spricht dieser ebenso, zum Teil mit den kühnsten Wendungen der Abstraktion, die in die Einheit auf diese Weise eine Bewegung bringt, von sich: Was gewesen ist, ist Rudra (d. i. Schiwa), und was ist, ist er, und was sein wird, ist er; Ich war immer, bin immer und werde immer sein. Es gibt kein Zweites, von dem ich sagen könnte: Ich bin es, und es ist Ich. Was ist, bin Ich, und was nicht ist, bin Ich. Ich bin Brahma und Ich bin Brahman usf. Auch fernerhin in einem Zuge: Ich bin die Wahrheit, Ich bin der Ochs usf., Ich bin das höchste Sein. Ferner wird deswegen, wo die Anschauung oder Vorstellung von anderen einzelnen Gegenständen, Elementen usf. anfängt, von ihnen gleichfalls als das Letzte gesagt, daß sie Brahman sind. In den Wedas wird dem Wach (der Sprache) beigelegt, daß sie dies von sich sagt; ebenso: Luft, du bist Brahman, die Sonne ist Brahman, Speise, Brot usf. ist Brahman.
- Ein Engländer (Mills History of British India , Vol. I52) ), der diese Zusammenstellung aus den Wedas macht, kommt dadurch und [durch] nachher zu Erwähnendes auf die Vorstellung, daß Brahman, wie auch das Eine, bei den Indern nur ein vages Prädikat des Preisens, gleichsam eine nichtssagende Titulatur sei. Der Grund, den er angibt, ist, daß die Inder nicht zu der Vorstellung der Einheit Gottes gekommen seien; und was ihm hiergegen spricht, ist, wie er es nennt, ihre ungeheure Inkonsistenz, die Tätigkeit des einen Gottes zu den Charakteren von Brahma, Wischnu und Schiwa fortgebildet zu haben. Diese Inkonsistenz ist allerdings die Folge davon, daß jene Einheit noch nicht in ihrer wahrhaften Bestimmung, nicht als in sich konkret, als Geist aufgefaßt, daß sie nur die Kategorie des Substantialitätsverhältnisses ist. Die hiermit notwendige Inkonsistenz erscheint als der haltungslose Taumel, der oben nach der subjektiven Seite bemerklich gemacht worden und ebenso in der Vorstellung des Objektiven notwendig ist, als das Herausfallen von dem Einen in die vielen Götter und das Zurückfallen von diesem Reichtum und Pracht der Phantasie in das leere, trübe Eine, - ein perennierendes Abwechseln, das wenigstens diese Wahrheit in sich hat, daß diese Götter und die endlichen Dinge überhaupt nicht selbständige Wirklichkeiten sind. Die metaphysische Bestimmung, die wir gesehen, ist als solche nur für das denkende Subjekt, ihr Inhalt ganz nur die Abstraktion selbst; sie hat darum für sich selbst keine Wirklichkeit, denn in der Welt machen nur die endlichen, einzelnen Dinge ihre Existenz aus, in welchen sie also nicht als sie selbst, sondern als ein Anderes ihrer selbst existiert. Aber die Morgenländer sind nicht zu diesem Verstande gekommen, sich auch an solcher Abstraktion, dem reinen Sein, dem bloßen Wesen, zu begnügen, wenn sie auch dieselbe denkend gefunden haben. Das Eigentümliche nach dieser Seite ist die Art, in welcher Brahman als solcher nicht als abstrakter Gedanke eines anderen, noch in einer Personifikation für einen anderen, sondern für sich existierend gewußt wird. Nach dieser Bestimmung sehen wir Brahman als das abstrakte Selbstbewußtsein ausgesprochen, zu welchem der Jogi gewaltsam sich konzentriert und ausleert. An dieser Vertiefung des Bewußtseins in sich hat das reine Sein in der Tat eine Existenz, die ebenso allgemein, d. i. abstrakt als es selbst ist.
Dieser Sinn der Vertiefung ebensosehr als des Brahman zeigt sich schon an dem Beispiele der Vertiefung Walmikis, das oben aus dem Ramajana angeführt worden; doch erscheint dieser Sinn dort mit Phantasie und Personifikation vermischt. Er ist in seinen unvermischteren Formen zu betrachten. - Zunächst ist die Andacht eine solche Form als ein momentaner Zustand, den der Jogi zum anhaltenden zu machen strebt. Am deutlichsten macht den Sinn der indischen Andacht die Darstellung eines Engländers, der sich gründlich um die Einsicht in die indische Religiosität bemüht hat und sich durch Fragen, die er macht, und Antworten, die er dem Inder in den Mund legt, erklärt. Fragt man einen Inder: Verehrt ihr das höchste Wesen (d. i. Brahman) mit einem Kultus? Betet ihr zu ihm? Bringt ihr ihm Opfer? Er wird unmittelbar antworten: "Nein, niemals!" So betet ihr ihn im Geist an, - was der reinste, zugleich auch der tunlichste Gottesdienst ist, da er wenige oder keine Umstände nötig macht? "Nein." Preiset ihr ihn? "Nein." Denkt ihr über seine Eigenschaften und Vollkommenheiten nach? "Nein" (oben haben wir gesehen, daß die Devotion ganz leer ist). Was heißt denn nun jene so gerühmte stille Meditation? Seine Antwort wird sein: "Wenn ich in irgendeinem Gottesdienste mit übergeschlagenen Beinen, mit erhobenen gefalteten Händen, die Augen geschlossen, in Ruhe des Geistes, der Gedanken, der Zunge und Lippen sitze, so sag' ich innerlich: Ich bin Brahman. Wir haben nicht das Bewußtsein, Brahman zu sein, durch die Maja. Es ist verboten, das höchste Wesen zu verehren, ihm Gebete und Opfer darzubringen, denn dies wäre ein Gottesdienst an uns selbst gerichtet; Emanationen von ihm mögen wir verehren und anbeten." - Von Brahma ist zwar die Tradition vorhanden, daß er vormals Tempel gehabt, aber auch sie sind umgestürzt worden (s. Creuzer, Symbolik, I, 575, und Guigniaut I, 241); aber um so weniger hat Brahma Tempel. - Auf ähnliche Weise ist in unseren Zeiten, wie man in öffentlichen Nachrichten gelesen, dem Künstler Canova, der sein Vermögen zur Erbauung einer Kirche in seiner Vaterstadt Possagno bestimmt hat, von der geistlichen Behörde nicht gestattet worden, sie Gott zu widmen.
Dies Verschwinden der Objektivität des Brahman liegt schon unmittelbar in dem zum Überflusse angeführten, auf jeder Seite unseres Gedichts als Ziel der Vertiefung ausgesprochenen Einswerden mit Brahman, Werden zu Brahman, Deifikation, oder vielmehr Brahmifikation. Ich übergehe, über dies Einswerden Stellen anzuführen, die sich ins Unendliche vermehren ließen. Nur hat es ein näheres Interesse, die Bestimmungen zu betrachten, welche der schon angeführte älteste indische Lexikograph von Brahman gibt und mit denen uns Herr von Schlegel (Indische Bibliothek, II. Bd., 4. H., S. 423) bekannt macht. Außer der Bestimmung von reinem Sein gibt derselbe noch zwei Bedeutungen an, nämlich 1. die Wedas (sogar steht diese vor dem reinen Sein) und 2. Religionsübung. Daß dies nur scheinbar verschiedene Bedeutungen wesentlich nur äußerlich unterschiedene[r] Formen eines und desselben Inhalts sind, muß nirgend mehr der Fall sein als bei dieser absoluten Einheit selbst, dem Brahman. Der Sinn der Verbindung dieser Bestimmungen geht bereits aus allem Bisherigen hervor; Brahma ist die Wedas und die Opfer, nicht nur wie er das nur an sich seiende Sein von allem ist, sondern die Wedas, als von den Brahmanen gelesen, die Opfer, von ihnen dargebracht, sind die Vertiefung, die Andacht, welche Brahman ist. Es ist dasselbe, was in IX,16 Krischna, d. i., wie wir gesehen, soviel als Brahma, sagt: Ich bin das Opfer, Ich die Anbetung, Ich das gesprengte Wasser und die Kräuter; Ich bin das Gedicht (carmen, Wilkins: the ceremonies to the manes of the ancestors); Ich ingleichen das heilige Öl, Ich das Feuer, Ich der angezündete Weihrauch (Wilkins: the victim). Indem Brahma selbst das ganze Opfer und die verschiedenen Dinge ist, welche dargebracht werden, wird er sich selbst durch sich dargebracht und geopfert; er ist als Andacht das abstrakte reine Sich-selbst-Vernehmen und als Opfer eben dies sinnlich vermittelte Verhalten zu sich selbst. So ist der alles durchdringende Brahma, wie es III, 15 heißt, im Opfer gegenwärtig, eine auch dort, in der unklaren Darstellung nicht zu verkennende, näher bestimmte Weise der Gegenwart als in dem allgemeinen pantheistischen Sinne. In dieser Stelle ist ein Kreislauf aufgestellt, der zunächst einen oberflächlichen Sinn gibt, nämlich, daß durch Opfer Regen und durch diesen die Speise und damit die Erhaltung der Lebendigen erlangt wird; das Opfer aber wird durch das gottesdienstliche Werk vollbracht; dieses aber entspringt von Brahman, welcher, heißt es, aus dem Einfachen und Unteilbaren entsprungen ist53) (numen e simplici et individuo ortum). Hier ist Brahman selbst (das Neutrum) von dem einfachen Einen (the great One) unterschieden. Vornehmlich aber ist die Wirksamkeit des Opfers bemerklich zu machen; Fruchtbarkeit der Erde darf hier nicht als eine Folge desselben, vermittelt durch die göttliche Rücksicht auf die mit Opfern unterstützten Bitten der Sterblichen, vorgestellt werden. Der Zusammenhang des Opfers und der Hervorbringung oder Schöpfung ist, wie aus dem Obigen erhellt, direkter; aus Tod kommt Leben, ist der abstraktere Satz. Am wunderbarsten ist die Darstellung dieses Zusammenhangs in einer der Stellen, die Colebrooke in den Auszügen aus den Wedas (Asiatic Researches VIII, 404 ff.) gibt; als die Urheber der Gebete, die sich auf das Totenopfer beziehen, wird Prajapati und sein Sohn Yajnya angegeben, jener die ursprüngliche Seele, Brahman, - der andere Name scheine, sagt Colebrooke, auf das allegorische Opfer des Brahma anzuspielen (Guigniaut I, S. 602: le sacrifice ou la victime). Dieses Opfer aber hat folgende Stellung: Das Schaffende der ersten unterschiedenen Masse ist die Macht der Kontemplation; zuerst ward Verlangen in diesem seinen Denken gebildet (der ursprüngliche produktive Samen), das die Weisen, durch den Verstand es in ihren Herzen erkennend, als das Band des Seins in dem Nichtsein bestimmen; dann folgt die weitere, schwer verworrene Beschreibung, worin sich wenigstens so viel erkennt, daß das erste, was geschieht, das allgemeine Opfer ist, mit welchem das Erschaffen unmittelbar verknüpft wird oder welches vielmehr selbst als Schöpfung der Welt erscheint.
Ich füge eine Stelle noch hinzu, die Colebrooke (ebenda S. 475 ff.) aus dem ersten Upanischad des 4. Weda gibt und die gleichfalls das Hervorgehen des Einen aus sich und somit sein Zurückgehen in sich, sowie damit zugleich das Erscheinen der Welt auszudrücken scheint; es heißt: Durch die Kontemplation keimt das weite Eine; von ihm wird die Speise (Körperliches) hervorgebracht, und von da nacheinander Atem, Gedanke, wirkliche Welten und Unsterblichkeit, entspringend aus Werken. Der Allwissende ist tiefe Kontemplation; in dem Wissen seiner besteht, der alles weiß, und daraus geht das weite Eine sowohl als Namen, Formen und die Speisen hervor; und dies ist Wahrheit.
Das Abstrahieren, wodurch das Vertiefen wird, ist für sich das Moment der Negation, des Opferns, und der weitere tiefsinnige Gedanke ist nicht zu verkennen, daß an diese Negativität, die Unendlichkeit, unmittelbar die Tätigkeit des Produzierens geknüpft wird (wie bei Jakob Böhme an die Pein, Qual das Qualieren und Quellen). Der Wendungen aber nun in den vielen Theogonien oder Kosmogonien, die uns bereits bekannt sind, Formen, Namen und Gestaltungen sind unzählige, in welchen aus jenem vertieften Beschauen, aus der nur in sich versenkten Einsamkeit des Brahman die produktive Tätigkeit, das Erzeugen und der Erzeugende hervorgehend und unterschieden gefaßt wird. Es erscheint in diesen vielfachen Darstellungen nichts Gleichförmiges zu sein als die allgemeine Grundlage der angegebenen Gedanken. Ebenso wirft sich das indische Mythologisieren oder Philosophieren, um das Höchste zu fassen und zu bestimmen, in vielen Formen vom großen Einen, der allgemeinen Seele usf. umher, die schwerlich vom Brahman wahrhaft werden unterschieden werden können.
Gleichfalls erscheint Brahma (Maskul.) nur als eine von den vielen Auffassungen und Gestaltungen des zum Subjekt bestimmten Brahmans. Hier, wo die äußerliche Erscheinung (die Maja) beginnt, wird die Mannigfaltigkeit der Gestaltungen immer größer und willkürlicher. Brahma erscheint vornehmlich im Verhältnisse zu Wischnu oder Krischna und zu Schiwa in bestimmterer Gestalt und als eine Figur der Trimurti, der indischen Dreieinigkeit, - eine Bestimmung des Höchsten, welche im Indischen anzutreffen notwendig die Aufmerksamkeit der Europäer hat auf sich ziehen müssen. Sosehr die Ausführung dieser Vorstellung hier wild ist und den Begriff von Geist vielmehr zerstört, der aus ihr hervorgehen sollte, so enthält sie wenigstens die abstrakte Form (wie die Pythagoreische und Platonische Trias) zu der konkreten Bestimmung des Geistes; und es ist die höhere wissenschaftliche Ausführung, die es erweist, daß, wenn die Vorstellung des Geistes durch das Denken zum Begriff erhoben wird, er schlechthin als dreieinig in sich gefaßt werden müsse. Es würde aber zu weit abführen, es auseinanderzusetzen, wie das Rudiment der Dreiheit, welche erst im Christentume zur wahrhaften Idee Gottes gediehen, in der indischen Vorstellung nur zu etwas Verkehrtem ausgewachsen ist.
Für unseren Zweck aber, den Begriff Brahmas zu bestimmen, ist das Verhältnis höchst charakteristisch, das ihm zu Wischnu gegeben, und das Geschäft, das ihm in seinen Erscheinungen auf der Welt zugeteilt wird. Ich meine die Darstellung, welche Creuzer, Symbolik, I. Teil, S. 626 (Guigniaut L. 1, c. 4) nach Polier gibt. Sie zeigt den Brahma, wie derselbe außer dem Anteile, den er wie Wischnu und Schiwa an der Welt erhalten, noch einen Raum für sich behalten will, wegen dieses Raubs aber von ihnen gezüchtigt wird, dessenungeachtet [jedoch], stolz darauf, daß er die Wedas geoffenbart, mehr zu sein vermeinte als die beiden anderen. Zur Strafe dieses Hochmuts und dann wegen Lüsternheit wird er verurteilt, eine Reihe von Büßungen in vier Gestalten, in denen er auf die Welt zu kommen hat, zu durchlaufen. Er kommt als Rabe, als Tschandala und meuchelmörderischer Räuber usf. in die weltliche Existenz; nach strengen Übungen, an denen gleichfalls die Jahre und Jahrhunderte nicht gespart sind, gelangt er wieder dazu, Brahma zu sein. Unter die Bußen, zu denen er verdammt wird, gehört die, den Wischnu anzubeten und die Geschichte der Inkarnationen desselben zu schreiben. In der zweiten Existenz, aus dem Tschandala und Räuber ein Weiser geworden, setzt er durch seine Kenntnis und Auslegung der Wedas alle in Verwunderung; in Demut gesteht er, daß er der ins Fleisch gekommene Brahma sei, verdammt, seinen Stolz zu büßen; er wird dann ein begeisterter Sänger, besingt die Inkarnationen des Wischnu, dichtet den Mahabharata und den Ramajana, - Rama, der Held dieses Gedichtes, ist eine Inkarnation Wischnus, und Ardschuna, der Held des ersten, mit dem Krischna die Unterredung (Bhagavad-Gita) hält, ist Krischna selbst (Lekt. X, 37). - Creuzer macht Symbolik, I. Teil, S. 634 auf den Unterschied aufmerksam, daß dem Wischnu Erscheinungen in der Welt als Inkarnationen, dem Brahma aber die Rückkehr durch Buße, Regenerationen seiner zu sich selbst zugeschrieben werden. Es ergibt sich noch ein weiterer charakteristischer Unterschied. Jene Krischnaschen Erscheinungen sind die eines unmittelbar Glücklichen, für die Liebe Lebenden, große Taten Vollbringenden, Mächtigen; die Ehre, zu der es Brahma in seinen vier Gestaltungen, und zwar vermittels der Büßungen bringt, ist die eines weisen Sängers, und seine Taten sind die großen Nationalgedichte. Seine Grundbestimmung bleibt sonach die Kontemplation, die Existenz des Einen als abstrakte Rückkehr seiner in sich selbst zu sich; indem aber die Meditation zur konkreten selbstbewußten Tat wird, ist sie die eines gebildeten Weisen, ein Gedicht. Und zwar gedeiht sie dazu durch die Vermittlung der Übungen, durch die Erhebung aus dem niedrigsten Zustande und Charakter, vermittels jener Büßungen zur Vollendung. Brahma als Walmiki, der Verfasser des Ramajana, wird der Kaste nach als Tschandala angegeben; ebenso Chaldas (Symbolik, I. Teil, S. 633), der Wiederfinder und Sammler der Gedichte Walmikis; die vierte und letzte Gestaltung Brahmas ist von armen Eltern geboren, ohne Erziehung und Bildung, und wenn er sich am Hofe, wo er bekannt ist, als ein Brahmane zeigt, geschieht dies, um unbekannt zu sein, und dies ist nicht sein Stand.
Von den Brahmanen aber ist oben gesagt, daß sie durch die Geburt die Zweimalgeborenen sind und durch sie unmittelbar die Hoheit besitzen, zu welcher der Jogi und der Dichter sich hervorbringen; in ihnen ist Brahma nicht bemüht, die Vermittlung der Übungen zu durchlaufen. Man kann diese Zusammenstellung auch in unserem Gedicht (VIII, 11) nicht verkennen, wo die Weise der Vertiefung wie gewöhnlich als das Zuschließen aller Sinne usf., das Aussprechen des einsilbigen Om beschrieben und als das angegeben wird, was sowohl die Lehrer der Wedas als diejenigen üben, die sich der Joga ergeben. Jenes sind die Brahmanen. Wenn wir die Ausdrücke der Schlegelschen Übersetzung, bei der wir vornehmlich dazu berechtigt sind, in ihrer genauen Bestimmtheit nehmen, so liegt auch darin die obige Bestimmung von der Subjektivität des Brahma. Von den Brahmanen aber heißt es, daß sie das Vertiefen simplex ac individuum nuncupant, womit das Einfache, Brahma, das Vertiefen selbst als Inbegriff des subjektiven Moments bezeichnet ist.
Daß dem Brahmanen die Macht über die Natur beigelegt wird, ist oben angeführt. Das gleichfalls schon zitierte älteste indische Wörterbuch (Indische Bibliothek, II. Bd., 4. H., S. 423) gibt als die erste Bedeutung des Brahma (Maskul.) an: ein geborener Priester, als die zweite: der Herr der Geschöpfe; man sieht, daß beides ein und dieselbe Bestimmung ist. Brahma, so ist bei Guigniaut I, p. 241 das Verhältnis zusammengefaßt, existiert in den Brahmanen; sie werden an seiner Stelle verehrt, denn er wohnt in ihnen, - noch eigentlicher: er selbst wird verehrt, indem sie verehrt werden, sie sind seine Existenz; er ist sie als selbstbewußte Existenz; sie sind seine ununterbrochene Inkarnation. Wenn ein Brahmane geboren wird, heißt es in Manus Gesetzbuch, wird er über den Welten geboren, der Herr aller Kreaturen; - dies ist wörtlich dasselbe, was das altindische Wörterbuch sagt. Die Brahmanen sind aus dem Munde Brahmas entsprungen: der Mund ist teils das Sprechen - oben ist des Wach, der Rede erwähnt worden (die Wedas und das Lesen derselben) -, teils ist der Mund das Essen; es ist der Brahmane, der die Opfer darbringt; beides sind die einzigen Pflichten und Geschäfte desselben. Der oben angegebene Sinn des Opfers ist in Manus Gesetzbuch in der Beziehung auf die Brahmanen so ausgedrückt: der Brahmane bringt die geschmolzene Butter den Göttern und die Reiskuchen den Erzeugern des Menschengeschlechts dar zur Erhaltung der Welten; näher ist dies daselbst so bestimmt, daß mit dem Mund des Brahmanen die Götter des Firmaments fortwährend mit geschmolzener Butter gespeist werden (feast on clarified butter) und die Manen der Voreltern mit geweihten Kuchen. - Das Verzehren der Opfer durch die Brahmanen ist Speisen und Ernähren der Götter, damit die Produktion und Erhalten derselben und der Welten.
In den Betrachtungen, die der Brahmane an die aufgehende Sonne zu richten hat, Asiatic Researches V, p. 349 (es sind ihm deren für alle Zeiten und Handlungen des Tages vorgeschrieben), sagt er bei sich: Das geheimnisvolle Licht (von dem er auch sagt, daß es die Erde und die dreifaltige Welt usf. ist), das in mir wohnt, innerlich in meinem Herzen vorhanden ist, ist eins und dasselbe mit jener glänzenden Kraft. Ich bin eine strahlende Offenbarung des höchsten Brahman. - Der Inder hat an dem Brahmanen den gegenwärtigen Gott vor sich, wie der Tibetaner, Mongole usf. an dem Dalai-Lama, wie die Sekte der Ganapatjas (s. Colebrooke, Asiatic Researches VII, p. 279 ff.) zu Chinchwer in der Nähe von Puna den Ganesa (den Gott mit dem Elefantenkopf) in einem Individuum verehren, dessen Familie das Privilegium der erblichen Inkarnation dieses Gottes besitzt. Der Inder, wie ein Engländer sich ausdrückt, hat gegen den Brahmanen die Empfindung, vor ihm niederzufallen und zu ihm zu sagen: Brahmane, du bist mein Gott. - Fitz-Clarence, der Adjutant des Generalgouverneurs Marquis von Hastings, sagt in seiner Reise, daß einem Brahmanen, der in untergeordneten Diensten und Geschäften bei der englisch-ostindischen Regierung steht, dieselbe hohe Verehrung bleibt. Er führt das Beispiel an, daß ein Brahmane als Bote mit Depeschen in beschmutztem Aufzug im Gouvernementshause ankam; Inder, die sich auf dessen Wege befanden und den Strick um seinen Nacken (die Auszeichnung des Brahmanen) unter dessen staubigen Kleidern wahrnahmen, fielen nieder und küßten die Fußtapfen seiner beschmutzten Schuhe.
Dies ist die Art und Weise, wie sich mir die Verknüpfung der abgehandelten Prinzipien des indischen Geistes auf den Grund der vom Herrn Verfasser gegebenen Forschungen und durch die Vergleichung mit anderen Materialien gezeigt hat. Je mehr der gründliche und kritische Fleiß der europäischen Gelehrten uns den Zugang zu der indischen Sinnesart in ihrem eigentümlichen Lichte aufgeschlossen hat, desto mehr tritt das Detail der Theogonien und Kosmogonien und der sonstigen Mythen zu geringerer Wichtigkeit zurück; denn es zeigt sich bereits, daß die Willkür der Phantasie, mit der die Versatilität einer feinen Reflexion verbunden ist, solchen Stoff in wilde und unsägliche Mannigfaltigkeit ausgedehnt hat. Man wird dadurch von selbst darauf geführt, den Grundlinien des Gemeinsamen, den Prinzipien des indischen Bewußtseins nachzuforschen und nachzugehen. Je mehr aber bereits jener Reichtum zugleich in der Originalfarbe sich uns darbietet, desto mehr müssen die oberflächlichen Vorstellungen von indischer Religiosität und deren Inhalt, die aus der Anwendung teils der nächsten besten Kategorien unserer Bildung, teils einer europäischen, oft selbst verworrenen Philosophie entsprangen, aufgegeben werden. Sie müssen der immer mehr sich dokumentierenden Eigentümlichkeit indischen Geistes weichen. Aber die Aufgabe der Auffassung wird zugleich um so schwieriger, nicht sowohl um durchgängiger Verschiedenheit der indischen Vorstellungsweise von der unsrigen wegen, als vielmehr weil sie in die höchsten Begriffe unseres Bewußtseins eingreift, aber in der wundervollen Tiefe selbst ungetrennt in das Erniedrigendste verfällt. Der höchstverehrte Herr Verfasser, der in so vielen der schwierigsten und an Vorarbeiten oft wenig oder selbst gar keine Unterstützung findenden Forschungen ein neues und häufig ein erstes Licht angezündet hat, hat sich auch die Mühe nicht verdrießen lassen, aus der diffusen Darstellung des hier behandelten Gedichts die Grundsteine zusammenzustellen. Wir verdanken ihm, daß er es uns damit möglich gemacht hat, anderweitiges Material in Verknüpfung zu bringen und in dessen näheres Verständnis einzudringen.
Es wäre freilich noch von der zweiten Vorlesung (vgl. S. 4, bis Ende) Rechenschaft zu geben gewesen, welche sich, wie die erste mit dem Inhalte des Systems, nun mit dem Vortrage, sowohl dessen Anordnung als dem Verhältnisse desselben zu poetischer und philosophischer Form beschäftigt. Doch ist dieser Artikel bereits weitläufig genug gediehen, und man wird von selbst erwarten, daß die Gelehrsamkeit und der Geschmack dem Herrn Verfasser interessante Reflexionen und insbesondere tiefgehende Vergleichungspunkte mit der Verschmelzung von Poesie und Philosophie im griechischen Altertum dargeboten, so wie der ausgebildete kritische Takt desselben uns eine Verschiedenheit zwischen den elf ersten und den sieben letzten Gesängen des Gedichts bemerklich gemacht hat. Die üble Entdeckung, daß in astronomischen und genealogischen Werken die Interpolationen etwas Gewöhnliches sind, hat den Gelehrten, welche daraus, wenn nicht geschichtliche, doch endlich sichere chronologische und genealogische Data schöpfen zu können gehofft, ein neues Feld von Schwierigkeiten und Unsicherheit eröffnet. Die etwas zentoartige Beschaffenheit unseres Gedichts übt auf den Inhalt keinen wesentlichen Einfluß und vermehrt nur das sonst für sich genug Tädiöse der indischen Breite und Wiederholung.
39) *Doch soll[en] in den letzten Jahren an dem Feste, bei dem sich früher Millionen eingefunden hatten, nicht so viele Fromme anwesend gewesen sein, um den Wagen in Bewegung setzen zu können. - Der kahle Meeresstrand, auf dem der Tempel liegt, ist auf viele Meilen weit mit Skeletten von Pilgern bedeckt, die der Reise und ihren Übungen erlegen sind
52) James Mill, The History of British India, 3 Bde., London 1817
53) *Wilkins hat nur: Brahm, whose nature is incorruptible
( G.W.F.Hegel Rezensionen aus den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik Über die unter dem Namen Bhagavad-Gita bekannte Episode des Mahabharata von Wilhelm von Humboldt Berlin 1826 ) 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7
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