III. Ich sah empor, und sah in allen Räumen Eines, Hinab, und sah in allen Wellenschäumen Eines. Ich sah ins Herz, es war ein Meer, ein Raum der Welten Voll tausend Träum', ich sah in allen Träumen Eines. Luft, Feuer, Erd und Wasser sind in Eins geschmolzen In deiner Furcht, daß dir nicht wagt zu bäumen Eines. Der Herzen alles Lebens zwischen Erd und Himmel Anbetung dir zu schlagen soll nicht säumen Eines. V. Obgleich die Sonn' ein Scheinchen ist deines Scheines nur, Doch ist mein Licht und deines ursprünglich Eines nur. Ob Staub zu deinen Füßen der Himmel ist, der kreist; Doch Eines ist und Eines mein Sein und deines nur. Der Himmel wird zum Staube, zum Himmel wird der Staub, Und Eines bleibt und Eines, dein Wesen meines nur. Wie kommen Lebensworte, die durch den Himmel gehn Zu ruhn im engen Raume des Herzensschreines nur? Wie bergen Sonnenstrahlen, um heller aufzublühn, Sich in die spröden Hüllen des Edelsteines nur? Wie darf Erdmoder speisend und trinkend Wasserschlamm, Sich bilden die Verklärung des Rosenhaines nur? Wie ward, was als ein Tröpflein die stumme Muschel sog, Als Perlenglanz die Wonne des Sonnenscheines nur? Herz, ob du schwimmst in Fluten, ob du in Gluten glimmst: Flut ist und Glut ein Wasser; sei deines, reines nur. IX. Ich sage dir, wie aus dem Ton der Mensch geformt ist: Weil Gott dem Tone blies den Odem ein der Liebe. Ich sage dir, warum die Himmel immer kreisen: Weil Gottes Thron sie füllt mit Widerschein der Liebe. Ich sage dir, warum die Morgenwinde blasen: Frisch aufzublättern stets den Rosenhain der Liebe. Ich sage dir, warum die Nacht den Schleier umhängt: Die Welt zu einem Brautzelt einzuweihn der Liebe. Ich kann die Rätsel alle dir der Schöpfung sagen: Denn aller Rätsel Lösung ist allein der Liebe. XV. Wohl endet Tod des Lebens Not, Doch schauert Leben vor dem Tod. So schauert vor der Lieb' ein Herz, Als ob es sei vom Tod bedroht. Denn wo die Lieb' erwachet, stirbt Das Ich, der dunkele Despot. Du laß ihn sterben in der Nacht Und atme frei im Morgenrot.
HEGEL, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse /§ 573 KONTEXT>>> Anmerkung
*Ich kann mich nicht enthalten, zum Behuf einer näheren Vorstellung etliche Stellen hier anzuführen, die zugleich eine Vorstellung von der bewundernswürdigen Kunst der Übertragung des Herrn Rückert [Friedrich Rückert, "Mewlana Dschelaleddin Rumi", in Taschenbuch der Damen auf das Jahr 1821; Hegel zitiert nur einzelne Verspaare, nicht die vollständigen Gedichte], aus der sie genommen sind, geben mögen:
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