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HEGEL - Religion
G.W.F. Hegel
Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes
Vierzehnte Vorlesung
Dieser Dogmatismus der absoluten Trennung des Endlichen und Unendlichen ist logisch; es ist eine Behauptung von der Natur der Begriffe des Endlichen und des Unendlichen, die in der Logik betrachtet wird. Hier halten wir uns zunächst an die Bestimmungen, die wir im Vorhergehenden zum Teil gehabt, die aber auch in unserem Bewußtsein vorhanden sind. Die Bestimmungen, die in der Natur der Begriffe selbst liegen und in der Logik in der reinen Bestimmtheit ihrer selbst und ihres Zusammenhangs aufgezeigt werden, müssen auch in unserem gewöhnlichen Bewußtsein sich hervortun und vorhanden sein.
Wenn also gesagt wird: das Sein des Endlichen ist nur sein eigenes Sein, nicht vielmehr das Sein eines Anderen, es ist also kein Übergang vom Endlichen zum Unendlichen möglich, also auch keine Vermittlung zwischen ihnen, weder an sich noch im und für das Erkennen, so daß etwa wohl das Endliche vermittelt sei durch das Unendliche, aber, worauf allein hier das Interesse ginge, nicht umgekehrt, so ist sich bereits auf das Faktum berufen worden, daß der Geist des Menschen sich aus dem Zufälligen, Zeitlichen, Endlichen zu Gott als dem Absolut-Notwendigen, Ewigen, Unendlichen hebt, - das Faktum, daß für den Geist die sogenannte Kluft nicht vorhanden ist, daß er diesen Übergang wirklich macht,daß durch jenen Verstand, der diese absolute Scheidung behauptet, die Menschenbrust es sich nicht nehmen läßt, eine solche Kluft nicht gelten zu lassen, sondern diesen Übergang in der Erhebung zu Gott wirklich macht.
Darauf ist aber die Antwort fertig: das Faktum dieser Erhebung zugegeben, so ist dies ein Übergang des Geistes, aber nicht an sich, nicht ein Übergang in den Begriffen oder gar der Begriffe selbst, und zwar darum nicht, weil eben im Begriffe das Sein des Endlichen sein eigenes Sein und nicht das Sein eines Anderen sei. Wenn wir so das endliche Sein nur in Beziehung auf sich selbst stehend nehmen, so ist es nur für sich, nicht Sein für Anderes; es ist damit der Veränderung entnommen, ist unveränderlich, absolut. So ist es mit diesen sogenannten Begriffen beschaffen. Daß das Endliche absolut, unveränderlich, unvergänglich, ewig sei, dies wollen aber diejenigen selbst nicht, welche die Unmöglichkeit jenes Übergehens behaupten. Wäre der Irrtum, daß das Endliche als absolut genommen wird, nur ein Irrtum der Schule, eine Inkonsequenz, die sich der Verstand zuschulden kommen ließe - und zwar in den äußersten Abstraktionen, mit denen wir hier zu tun bekommen haben -, so könnte man fragen, was denn solcher Irrtum verschlagen könne, indem man jene Abstraktionen wohl verächtlich finden kann gegen eine Fülle des Geistes, wie sie die Religion, überhaupt sonst ein großes, lebendiges Interesse desselben ist. Aber daß in diesen sogenannten großen, lebendigen Interessen in der Tat das festgehaltene Endliche das wahrhafte Interesse ausmacht, zeigt sich zu sehr in der Bemühung mit der Religion selbst, wo, jenem Grundsatze konsequent, die Beschäftigung mit der Historie des endlichen Stoffes, des äußerlich Geschehenen und der Meinungen das Übergewicht über den unendlichen Gehalt erlangt hat, der bekanntlich auf das Minimum zusammengeschrumpft ist. Es sind die Gedanken und jene abstrakten Bestimmungen vom Endlichen und Unendlichen, womit das Aufgeben des Erkennens der Wahrheit gerechtfertigt werden soll, und in der Tat ist es der reine Boden des Gedankens, auf welchen sich solche Interessen des Geistes hinspielen, um auf demselben ihre Entscheidung zu erhalten; denn die Gedanken machen die innerste Wesenheit der konkreten Wirklichkeit des Geistes aus.
Belassen wir diesen Begriffsverstand bei seiner Behauptung, daß das Sein des Endlichen nur sein eigenes Sein, nicht das Sein seines Anderen, nicht das Übergehen selbst sei, und nehmen die weitere, das Erkennen ausdrücklich nennende Vorstellung auf. Wenn nämlich mit dem Faktum übereingestimmt wird, daß der Geist solchen Übergang mache, so soll es doch nicht ein Faktum des Erkennens, sondern des Geistes überhaupt und bestimmt des Glaubens sein. Es ist hierüber zur Genüge gezeigt worden, daß diese Erhebung sie sei in der Empfindung oder im Glauben, oder wie die Weise ihres geistigen Daseins bestimmt werde - im Innersten des Geistes auf dem Boden des Denkens geschieht; die Religion als die innerste Angelegenheit des Menschen hat darin den Mittelpunkt und Wurzel ihres Pulsierens. Gott ist in seinem Wesen Gedanke, Denken selbst, wie auch weiter seine Vorstellung und Gestaltung sowie die Gestalt und Weise der Religion als Empfinden, Anschauen, Glauben usf. bestimmt werde. Das Erkennen tut aber nichts, als eben jenes Innerste für sich zum Bewußtsein zu bringen, jenen denkenden Puls denkend zu erfassen. Das Erkennen mag hierin einseitig sein und zur Religion noch mehr und wesentlich Empfindung, Anschauen, Glauben gehören, so wie zu Gott noch weiteres als sein denkender und gedachter Begriff; aber dieses Innerste ist darin vorhanden, und von diesem zu wissen, heißt, es denken, und Erkennen überhaupt heißt nur, es in seiner wesentlichen Bestimmtheit zu wissen.
Erkennen, Begreifen sind Worte wie Unmittelbar, Glauben in der Bildung der Zeit; sie haben die Autorität des gedoppelten Vorurteils für sich, des einen, daß sie ganz bekannt und damit letzte Bestimmungen seien, bei denen daher nicht weiter nach ihrer Bedeutung und Bewährung zu fragen sei, und daß die Unfähigkeit der Vernunft, das Wahre, Unendliche zu begreifen, zu erkennen, etwas ebenso Abgemachtes sei als ihre Bedeutung überhaupt. Das Wort Erkennen, Begreifen gilt wie eine magische Formel; sie ins Auge zu fassen, zu fragen, was denn Erkennen, Begreifen ist, fällt dem Vorurteile nicht weiter ein, und darauf einzig und allein würde es ankommen, um über die Hauptfrage etwas wirklich Treffendes zu sagen. Es würde in solcher Untersuchung sich von selbst ergeben, daß das Erkennen nur das Faktum des Überganges, den der Geist selbst macht, ausspricht, und insofern das Erkennen wahrhaftes Erkennen, Begreifen ist, so ist es ein Bewußtsein der Notwendigkeit, die jener Übergang selbst enthält, nichts als das Auffassen dieser ihm immanenten, in ihm vorhandenen Bestimmung.
Aber wenn über das Faktum des Überganges von dem Endlichen zum Unendlichen geantwortet worden ist, daß derselbe im Geiste oder im Glauben und der Empfindung und dergleichen gemacht werde, so ist diese Antwort nicht die ganze Antwort; diese ist vielmehr eigentlich: das religiöse Glauben, Empfinden, innere Offenbarung ist eben dies, unmittelbar von Gott zu wissen, nicht durch Vermittlung, nicht den Übergang als einen wesentlichen Zusammenhang beider Seiten, sondern als einen Sprung zu machen. Das, was ein Übergang genannt wurde, zerfällt hiernach in zweierlei gesonderte Akte, die äußerlich gegeneinander sind, etwa nur in der Zeit aufeinanderfolgen, in der Vergleichung oder Erinnerung aufeinander bezogen werden. Das Endliche und Unendliche halten sich schlechthin in der Trennung; dies vorausgesetzt, so ist die Beschäftigung des Geistes mit dem Endlichen eine besondere Beschäftigung, und seine Beschäftigung mit dem Unendlichen, Empfinden, Glauben, Wissen einzelner, unmittelbarer, einfacher Akt, nicht ein Akt des Übergehens. Wie das Endliche und Unendliche beziehungslos sind, so auch die Akte des Geistes, seine Erfüllungen mit diesen Bestimmungen, Erfüllungen nur mit dem einen oder dem anderen, beziehunglos aufeinander. Wenn sie auch gleichzeitig sein können, mit dem Unendlichen auch Endliches im Bewußtsein ist, so sind sie nur Vermischungen; es sind zwei für sich bestehende Tätigkeiten, die sich einander nicht vermitteln.
Die Wiederholung, die in dieser Vorstellung von der gewöhnlichen Scheidung des Endlichen und Unendlichen liegt, ist schon angedeutet, - von jener Trennung, durch welche das Endliche für sich auf einer Seite und das Unendliche auf der anderen gegenübergehalten und das erstere nicht weniger auf diese Weise für absolut erklärt wird, - der Dualismus, der in weiterer Bestimmung der Manichäismus ist. Daß aber das Endliche absolut sei, dies wollen diejenigen selbst nicht, die solches Verhältnis festsetzen; aber sie können jener Konsequenz nicht entgehen, welche keine erst aus jener Behauptung gezogene Konsequenz, sondern die direkte Behauptung selbst ist, daß das Endliche in keiner Verbindung mit dem Unendlichen, kein Übergang von jenem zu diesem möglich sei, das eine schlechthin von dem anderen geschieden sei. Wird aber doch auch wieder eine Beziehung derselben vorgestellt, so ist bei der angenommenen Unverträglichkeit beider das Verhältnis nur negativer Art; das Unendliche soll das Wahre und das allein, d. i. abstrakt Affirmative sein, so daß es als Beziehung nur als Macht gegen das Endliche ist, das in jenem sich nur vernichtet. Das Endliche muß, um zu sein, sich vor dem Unendlichen zurückhalten, dasselbe fliehen; in der Berührung damit kann es nur untergehen. In der subjektiven Existenz, die wir von diesen Bestimmungen vor uns haben, nämlich dem endlichen und unendlichen Wissen, soll die eine Seite, die der Unendlichkeit, das unmittelbare Wissen des Menschen von Gott sein. Die ganze andere Seite ist aber der Mensch überhaupt; er eben ist das Endliche, von dem vornehmlich die Rede ist, und eben dies sein Wissen von Gott, es mag nun unmittelbar genannt werden oder nicht, ist sein, des Endlichen Wissen und Übergehen von demselben zum Unendlichen. Wenn nun aber auch die Beschäftigung des Geistes mit dem Endlichen und die Beschäftigung desselben mit dem Unendlichen zweierlei geschiedene Tätigkeiten sein sollen, so wäre die letzte als Erhebung des Geistes selbst nicht dieser immanente Übergang und die Beschäftigung mit dem Endlichen ihrerseits auch absolut und schlechthin auf das Endliche als solches beschränkt. Hierüber ließe sich eine weitläufige Betrachtung anstellen, es mag hier genügen, nur daran zu erinnern, daß auch diese Seite, wenngleich das Endliche ihr Gegenstand und Zweck ist, nur wahrhafte Beschäftigung, sei es Erkennen, Wissen, Dafürhalten oder ein praktisches und moralisches Verhalten, sein kann, insofern solches Endliche nicht für sich, sondern in seiner Beziehung auf das Unendliche, das Unendliche in ihm, gewußt, erkannt, betätigt, überhaupt in dieser Bestimmung Gegenstand und Zweck ist. - Bekannt genug ist die Stellung, die dem Religiösen in Individuen und selbst in Religionen gegeben wird, daß dasselbe, Andacht, Herzens- und Geisteszerknirschung und Opfergaben, für sich als ein abgeschiedenes Geschäft abgemacht wird und daneben das weltliche Leben, der Kreis der Endlichkeit, sich selber hingegeben und freigelassen bleibt, ohne Einfluß des Unendlichen, Ewigen, Wahren auf denselben, - d. h. ohne daß in dem Kreise des Endlichen zum Unendlichen übergegangen, das Endliche durch das Unendliche zur Wahrheit und Sittlichkeit vermittelt und ebenso ohne daß das Unendliche durch Vermittlung des Endlichen zu Gegenwart und Wirklichkeit gebracht würde.
Auf die schlechte Konsequenz, daß das Erkennende, der Mensch, absolut sein müßte, um das Absolute zu fassen, brauchen wir hier schon darum nicht einzugehen, weil sie ebensosehr den Glauben, das unmittelbare Wissen träfe, als welches auch ein Fassen-in-sich, wenn nicht des absoluten Geistes Gottes, doch wenigstens des Unendlichen sein soll. Wenn dies Wissen sich so sehr vor dem Konkreten seines Gegenstandes scheut, so muß er ihm doch etwas sein; eben das Nichtkonkrete, das wenige oder gar keine Bestimmungen an ihm hat, ist das Abstrakte, das Negative, das Wenigste, etwa das Unendliche.
Aber es ist gerade diese schlechte Abstraktion des Unendlichen, durch welche die Vorstellung das Fassen desselben zurückstößt, aus dem einfachen Grunde, weil dagegen das Diesseitige, der Mensch, der menschliche Geist, die menschliche Vernunft ebenso als die Abstraktion des Endlichen fixiert wird. Die Vorstellung verträgt sich noch eher damit, daß der menschliche Geist, Denken, Vernunft das Absolut-Notwendige fasse, denn dieses ist so unmittelbar als das Negative gegen sein Anderes, das Zufällige, auf dessen Seite auch eine Notwendigkeit, die äußerliche, steht, ausgedrückt und ausgesprochen. Was ist nun klarer, als daß der Mensch, der doch ist, d. h. ein Positives, Affirmatives ist, sein Negatives nicht fassen kann? Noch mehr, da umgekehrt sein Sein, seine Affirmation, die Endlichkeit - also die Negation - ist, daß sie die Unendlichkeit, die dagegen gleichfalls die Negation, aber nun umgekehrt gegen jene Bestimmung das Sein, die Affirmation ist, nicht fassen kann? Was ist aber ebenso klarer, als daß dem Menschen von den beiden Seiten die Endlichkeit zukommt? Von dem Raume faßt er etliche Fuß, außerhalb dieses Volumens ist die Unendlichkeit des Raumes; von der unendlichen Zeit ist ihm eine Spanne, die ebenso zum Augenblick gegen jene zusammenschrumpft wie sein Volumen zum Punkte. Aber abgesehen von dieser seiner äußerlichen Endlichkeit gegen jene unendlichen in Äußerlichkeiten, so ist er anschauend, vorstellend, wissend, erkennend - Intelligenz; ihr Gegenstand ist die Welt, dies Aggregat von unendlichen Einzelheiten. Wie gering ist die Anzahl derselben, die von den einzelnen Menschen gewußt werden - nicht der Mensch weiß, sondern der Einzelne -, gegen die unendliche Menge, welche ist. Um sich die Geringfügigkeit des menschlichen Wissens recht vor Augen zu bringen, braucht man sich nur an das, was man nicht leugnen wird, daß es unter göttlicher Allwissenheit verstanden zu werden pflege, etwa in der Vorstellung zu erinnern, die in den Lebensläufen nach aufsteigender Linie ,* um dieses Werk des tiefsten Humors wieder einmal ins Gedächtnis zurückzurufen (II. Teil, Beilage B), der Organist in L. in einer Leichenabdankung davon gibt: "Der Gevatter Briese sprach mir gestern von der Größe des lieben Gottes, und ich hatte den Einfall, daß der liebe Gott jeden Sperling, jeden Stieglitz, jeden Hänfling, jede Milbe, jede Mücke mit Namen zu nennen wüßte, so wie ihr die Leute im Dorfe: Schmieds Greger, Briesens Peter, Heifrieds Hans - denkt nur, wenn der liebe Gott so jede Mücke ruft, die sich einander so ähnlich sehen, daß man schwören sollte, sie wären alle Schwestern und Brüder; denkt nur!" - Aber gegen die praktische Endlichkeit stellt sich das theoretische noch groß und weit dar; aber diese Zwecke, Pläne oder Wünsche usf., was im Kopfe keine Schranken hat, wie bringen sie, an die Wirklichkeit, der sie bestimmt sind, herangebracht, die menschliche Beschränktheit vollends vor Augen! Jene Weite der praktischen Vorstellung, das Streben, das Sehnen, eben daß es nur Streben, Sehnen ist, zeigt an ihm selbst seine Enge. - Diese Endlichkeit ist es, welche dem Unterfangen, das Unendliche zu fassen, zu begreifen, vorgehalten wird; der kritische Verstand, der diesen schlagend sein sollenden Grund festhält, ist über die Verstandesbildung jenes Organisten in L. in der Tat nicht hinaus, er steht vielmehr gegen denselben zurück, denn dieser gebrauchte solche Vorstellung unbefangen nur, um die Größe der Liebe Gottes einer Bauerngemeinde vorstellig zu machen. Aber jener kritische Verstand gebraucht solche Endlichkeit gegen Gottes Liebe und deren Größe, nämlich gegen Gottes Gegenwart im Menschengeiste; dieser Verstand behält die Mücke der Endlichkeit fest im Kopfe, den betrachteten Satz "das Endliche ist", von welchem unmittelbar erhellt, daß er falsch ist, denn das Endliche ist dies, was zu seiner Bestimmung und Natur hat, zu vergehen, nicht zu sein, so daß dasselbe gar nicht gedacht, vorgestellt werden kann ohne die Bestimmung des Nichtseins, welche im Vergehen liegt. Wer ist so weit, zu sagen: das Endliche vergeht. Wenn zwischen das Endliche und sein Vergehen das Jetzt eingeschoben und dem Sein dadurch ein Halt gegeben werden soll: "das Endliche vergeht, aber jetzt ist es", so ist dies Jetzt selbst ein solches, das nicht nur vergeht, sondern selbst vergangen ist, indem es ist: jetzt, indem ich dies Bewußtsein des Jetzt habe, es spreche, ist es nicht mehr, sondern ein Anderes. - Es dauert ebenso, aber nicht als dieses Jetzt, und Jetzt hat nur den Sinn, dieses, in diesem Augenblick - ohne Länge, nur ein Punkt zu sein; - es dauert eben als Negation dieses Jetzt, Negation des Endlichen, somit als unendliches, als allgemeines. Schon das Allgemeine ist unendlich; der Respekt vor dem Unendlichen, der den Verstand abhält, dasselbe schon in jedem Allgemeinen vor sich zu haben, ist alberner Respekt zu nennen. Das Unendliche ist hoch und hehr; aber seine Hoheit und Hehrheit in jene unzählige Menge von Mücken und die Unendlichkeit des Erkennens in das Kennen jener unzähligen Mücken, d. i. der Einzelnen derselben, zu setzen, ist nicht die Unvermögenheit des Glaubens, des Geistes, der Vernunft, sondern des Verstandes, das Endliche als ein Nichtiges, das Sein desselben als ein solches, das schlechthin ebensosehr nur den Wert und die Bedeutung des Nichtseins hat, zu fassen.
Der Geist ist unsterblich, er ist ewig; er ist dies eben dadurch, daß er unendlich ist, daß er nicht solche Endlichkeit des Raumes, dieser fünf Fuß Höhe, zwei Fuß Breite und Dicke des Körpers, nicht das Jetzt der Zeit, sein Erkennen nicht ein Inhalt in ihm von diesen unzähligen Mücken und sein Wollen, seine Freiheit nicht die unendliche Menge von Widerständen noch von Zwecken und Tätigkeiten ist, welche solche Widerstände und Hindernisse gegen sich erfahren. Die Unendlichkeit des Geistes ist sein Insichsein, abstrakt sein reines Insichsein, und dies ist sein Denken, und dieses abstrakte Denken ist eine wirkliche, gegenwärtige Unendlichkeit, und sein konkretes Insichsein ist, daß dies Denken Geist ist.
Von der absoluten Scheidung der beiden Seiten sind wir also auf deren Zusammenhang zurückgekommen, in Ansehung dessen es keinen Unterschied macht, ob er im Subjektiven oder Objektiven vorgestellt wird. Es ist allein darum zu tun, ob er richtig aufgefaßt sei. Insofern er vorgestellt wird als ein nur subjektiver, der nur ein Beweisen für uns sei, so wird damit zugegeben, daß er nicht objektiv, nicht an und für sich richtig aufgefaßt sei; aber das Unrichtige ist nicht darein zu setzen, daß überhaupt kein solcher Zusammenhang, d. h. keine Erhebung des Geistes zu Gott stattfinde.
Worauf es also ankäme, wäre, die Natur dieses Zusammenhangs in seiner Bestimmtheit zu betrachten. Diese Betrachtung ist der tiefste Gegenstand, der erhabenste, darum auch der schwerste; sie kommt nicht mit endlichen Kategorien aus, d. h. die Denkweise, die wir im gemeinen Leben, im Verkehr mit zufälligen Dingen, aber ebenso, die wir in den Wissenschaften gewohnt sind, reicht nicht aus. Die letzteren haben ihre Grundlage, ihre Logik in Zusammenhängen des Endlichen, Ursache, Wirkung; ihre Gesetze, Gattungen, die Weisen des Schließens sind lauter Verhältnisse des Bedingten, die in dieser Höhe ihre Bedeutung verlieren, zwar gebraucht werden müssen, aber so, daß sie immer zurückgenommen und berichtigt werden. Der Gegenstand, die Gemeinschaft Gottes und des Menschen miteinander, ist eine Gemeinschaft des Geistes mit dem Geiste, - er schließt die wichtigsten Fragen in sich. Es ist eine Gemeinschaft: schon darin liegt die Schwierigkeit, ebensosehr den Unterschied darin festzuhalten, als ihn so zu bestimmen, daß auch die Gemeinschaft erhalten werde. Daß der Mensch von Gott weiß, ist nach der wesentlichen Gemeinschaft ein gemeinschaftliches Wissen, - d. i. der Mensch weiß nur von Gott, insofern Gott im Menschen von sich selbst weiß; dies Wissen ist Selbstbewußtsein Gottes, aber ebenso ein Wissen desselben vom Menschen, und dies Wissen Gottes vom Menschen ist Wissen des Menschen von Gott. Der Geist des Menschen, von Gott zu wissen, ist nur der Geist Gottes selbst. Hierher fallen dann die Fragen von der Freiheit des Menschen, von der Verknüpfung seines individuellen Wissens und Bewußtseins mit dem Wissen, in dem er in Gemeinschaft mit Gott ist, von dem Wissen Gottes in ihm. Diese Fülle des Verhältnisses des menschlichen Geistes zu Gott aber ist nicht unser Gegenstand; wir haben dies Verhältnis nur an seiner abstraktesten Seite aufzunehmen, - nämlich als den Zusammenhang des Endlichen mit dem Unendlichen. So kontrastierend diese Dürftigkeit mit jenem Reichtum des Inhalts ist, so ist doch zugleich das logische Verhältnis auch der Grundfaden für die Bewegung jener inhaltsvollen Fülle.
*) Theodor Gottlieb von Hippel, Lebensläufe nach aufsteigender Linie, 3 Bde., 1778/81
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