Die Symbolik der Erhabenheit
Durch den angegebenen Verlauf hat sich endlich die bisher durch ihre besondere sinnliche Gestalt mehr oder weniger verdunkelte Bedeutung frei herausgerungen und kommt somit für sich in ihrer Klarheit ins Bewußtsein. Dadurch ist das eigentlich symbolische Verhältnis aufgelöst, und es tritt jetzt, indem die absolute Bedeutung als die allgemeine, durch alles hindurchgreifende Substanz der gesamten erscheinenden Welt gefaßt wird, die Kunst der Substantialität - als Symbolik der Erhabenheit - an die Stelle bloß symbolisch-phantastischer Andeutungen, Verunstaltungen und Rätsel.
In dieser Rücksicht sind hauptsächlich zwei Standpunkte zu unterscheiden, welche in dem verschiedenen Verhältnis der Substanz als des Absoluten und Göttlichen zur Endlichkeit der Erscheinung ihren Grund finden. Dies Verhältnis nämlich kann gedoppelt sein, positiv und negativ, obschon in beiden Formen - da es immer die allgemeine Substanz ist, welche herauszutreten hat - an den Dingen nicht ihre partikuläre Gestalt und Bedeutung, sondern ihre allgemeine Seele und ihre Stellung zu dieser Substanz zur Anschauung kommen soll.
A. Auf der ersten Stufe ist dies Verhältnis so gefaßt, daß die Substanz als das von jeder Partikularität befreite All und Eine den bestimmten Erscheinungen als deren hervorbringende und belebende Seele immanent ist und nun in dieser Immanenz als affirmativ gegenwärtig erschaut und von dem sich selbst aufgebenden Subjekt durch die liebende Versenkung in diese allen Dingen einwohnende Wesenheit ergriffen und dargestellt wird. Dies gibt die Kunst des erhabenen Pantheismus, wie wir ihn seinen Anfängen nach schon in Indien, sodann aufs glänzendste ausgebildet im Mohammedanismus und seiner Kunst der Mystik sowie endlich in vertiefterer subjektiver Weise in einigen Erscheinungen der christlichen Mystik wiederfinden werden.
B. Das negative Verhältnis dagegen der eigentlichen Erhabenheit müssen wir in der hebräischen Poesie aufsuchen, in dieser Poesie des Herrlichen, welche den bildlosen Herrn des Himmels und der Erden nur dadurch zu feiern und zu erheben weiß, daß sie seine gesamte Schöpfung nur als Akzidens seiner Macht, als Boten seiner Herrlichkeit, als Preis und Schmuck seiner Größe verwendet und in diesem Dienste das Prächtigste selbst als negativ setzt, weil sie keinen für die Gewalt und Herrschaft des Höchsten adäquaten und affirmativ zureichenden Ausdruck zu finden imstande ist und eine positive Befriedigung nur durch die Dienstbarkeit der Kreatur erlangt, die im Gefühl und Gesetztsein der Unwürdigkeit allein sich selbst und ihrer Bedeutung gemäß wird.
(Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik / ... / 1. Die unbewußte Symbolik
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