G.W.F. Hegel Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes Dritte Vorlesung Es ist schon bemerkt, daß die Behauptung des Glaubens, von der die Rede werden soll, außerhalb des wahrhaften, unbefangenen Glaubens fällt; dieser, insofern er zum erkennenden Bewußtsein fortgebildet ist und damit auch ein Bewußtsein vom Erkennen hat, geht vielmehr auf das Erkennen ein, zutrauensvoll auf dasselbe, weil er zuallererst zutrauensvoll zu sich, seiner sicher, fest in sich ist. Sondern es ist von dem Glauben die Rede, insofern derselbe polemisch gegen das Erkennen ist und sich sogar polemisch selbst gegen das Wissen überhaupt ausspricht. Er ist so auch nicht ein Glaube, der sich einem anderen Glauben entgegenstellt; Glauben ist das Gemeinschaftliche beider. Es ist dann der Inhalt, der gegen den Inhalt kämpft; dies Einlassen in den Inhalt führt aber unmittelbar das Erkennen mit sich, wenn anders die Widerlegung und Verteidigung von Religionswahrheit nicht mit äußerlichen Waffen, die dem Glauben und der Religion sosehr als der Erkenntnis fremd sind, geführt werden. Der Glaube, welcher das Erkennen als solches verwirft, geht eben damit der Inhaltslosigkeit zu und ist zunächst abstrakt als Glaube überhaupt, wie er sich dem konkreten Wissen, dem Erkennen entgegenstellt, ohne Rücksicht auf Inhalt zu nehmen. So abstrakt ist er in die Einfachheit des Selbstbewußtseins zurückgezogen; dieses ist in dieser Einfachheit, insofern es noch eine Erfüllung hat, Gefühl, und das, was im Wissen Inhalt ist, ist Bestimmtheit des Gefühls. Die Behauptung des abstrakten Glaubens führt daher unmittelbar auch auf die Form des Gefühls, in welche die Subjektivität des Wissens sich "als in einen unzugänglichen Ort" verschanzt. - Von beiden sind daher kurz die Gesichtspunkte anzugeben, aus denen ihre Einseitigkeit und damit die Unwahrheit der Art erhellt, in welcher sie als die letzten Grundbestimmungen behauptet werden. Der Glaube, um mit diesem anzufangen, geht davon aus, daß die Nichtigkeit des Wissens für absolute Wahrheit erwiesen sei. Wir wollen so verfahren, daß wir ihm diese Voraussetzung lassen und sehen, was er denn nun so an ihm selbst ist. Fürs erste, wenn der Gegensatz so ganz allgemein als Gegensatz des Glaubens und Wissens, wie man oft sprechen hört, gefaßt wird, so ist diese Abstraktion sogleich zu rügen; denn Glauben gehört dem Bewußtsein an, man weiß von dem, was man glaubt; man weiß dasselbe sogar gewiß. Es zeigt sich sogleich als ungereimt, das Glauben und Wissen auf solche allgemeine Weise auch nur trennen zu wollen. Aber nun wird das Glauben als ein unmittelbares Wissen bezeichnet und soll damit wesentlich vom vermittelten und vermittelnden Wissen unterschieden werden. Indem wir hier die spekulative Erörterung dieser Begriffe beiseite setzen, um auf dem eigenen Felde dieses Behauptens zu bleiben, so setzen wir dieser als absolut behaupteten Trennung das Faktum entgegen, daß es kein Wissen gibt, ebensowenig als ein Empfinden, Vorstellen, Wollen, keine dem Geiste zukommende Tätigkeit, Eigenschaft oder Zustand, was nicht vermittelt und vermittelnd wäre, so wie keinen sonstigen Gegenstand der Natur und des Geistes, was es sei, im Himmel, auf Erden und unter der Erde, was nicht die Bestimmung der Vermittlung, ebenso wie die der Unmittelbarkeit in sich schlösse. So als allgemeines Faktum stellt es die logische Philosophie - freilich zugleich mit seiner Notwendigkeit, an die wir hier jedoch nicht zu appellieren nötig haben - an dem sämtlichen Umfang der Denkbestimmungen dar. Von dem sinnlichen Stoffe, es sei der äußeren oder der inneren Wahrnehmung, wird zugegeben, daß er endlich, d. i. daß er nur als vermittelt durch Anderes sei; aber von diesem Stoffe selbst, noch mehr von dem höheren Inhalte des Geistes wird es zugegeben werden, daß er in Kategorien seine Bestimmung habe, und deren Natur erweist sich in der Logik, das angegebene Moment der Vermittlung untrennbar in sich zu haben. Doch hier bleiben wir dabei stehen, uns auf das ganz allgemeine Faktum zu berufen; die Fakta mögen gefaßt werden, in welchem Sinne und Bestimmung es sei. Ohne uns in Beispiele darüber auszubreiten, bleiben wir bei dem einen Gegenstande stehen, der uns ohnehin hier am nächsten liegt. Gott ist Tätigkeit, freie, sich auf sich selbst beziehende, bei sich bleibende Tätigkeit; es ist die Grundbestimmung in dem Begriffe oder auch in aller Vorstellung Gottes, er selbst zu sein, als Vermittlung seiner mit sich. Wenn Gott nur als Schöpfer bestimmt wird, so wird seine Tätigkeit nur als hinausgehende, sich aus sich selbst expandierende, als anschauendes Produzieren genommen, ohne Rückkehr zu sich selbst. Der Glaube nun, indem er Gott zum Gegenstand seines Bewußtseins hat, hat eben damit diese Vermittlung zu seinem Gegenstande, so wie der Glaube, als im Individuum existierend, nur ist durch die Belehrung, Erziehung, menschliche Belehrung und Erziehung überhaupt, noch mehr durch die Belehrung und Erziehung durch den Geist Gottes, nur als solche Vermittlung ist. Aber auch ganz abstrakt, ob nun Gott oder welches Ding oder Inhalt der Gegenstand des Glaubens sei, ist er, wie das Bewußtsein überhaupt, diese Beziehung des Subjekts auf ein Objekt, so daß das Glauben oder Wissen nur ist vermittels eines Gegenstandes; sonst ist es leere Identität, ein Glauben oder Wissen von nichts. Aber umgekehrt liegt darin schon das andere Faktum selbst, daß ebenso nichts ist, was nur ausschließlich ein Vermitteltes wäre. Nehmen wir vor uns, was unter der Unmittelbarkeit verstanden wird, so soll sie ohne allen Unterschied, als durch welchen sogleich Vermittlung gesetzt ist, in sich sein; sie ist die einfache Beziehung auf sich selbst, so ist sie in ihrer selbst unmittelbaren Weise nur Sein. Alles Wissen nun, vermitteltes oder unmittelbares, wie überhaupt alles andere, ist wenigstens; und daß es ist, ist selbst das Wenigste, das Abstrakteste, was man von irgend etwas sagen kann; wenn es auch nur subjektiv wie Glauben, Wissen ist, so ist es, kommt ihm das Sein zu, ebenso wie dem Gegenstande, der nur im Glauben, Wissen ist, ein solches Sein zukommt. Dies ist eine sehr einfache Einsicht; aber man kann gegen die Philosophie, eben um dieser Einfachheit selbst willen, ungeduldig werden, daß, indem von dieser Fülle und Wärme, welche der Glaube ist, vielmehr weg- und zu solchen Abstraktionen wie Sein, Unmittelbarkeit übergegangen werde. Aber in der Tat ist dies nicht Schuld der Philosophie; sondern jene Behauptung des Glaubens und unmittelbaren Wissens ist es, die sich auf diese Abstraktionen setzt. Darein, daß der Glaube nicht vermitteltes Wissen sei, darein wird der ganze Wert der Sache und die Entscheidung über sie gelegt. Aber wir kommen auch zum Inhalt oder können vielmehr gleichfalls nur zum Verhältnisse eines Inhalts, zum Wissen kommen. Es ist nämlich weiter zu bemerken, daß Unmittelbarkeit im Wissen, welche das Glauben ist, sogleich eine weitere Bestimmung hat; nämlich das Glauben weiß das, an was es glaubt, nicht nur überhaupt, hat nicht nur eine Vorstellung oder Kenntnis davon, sondern weiß es gewiß. Die Gewißheit ist es, worin der Nerv des Glaubens liegt; dabei begegnet uns aber sogleich ein weiterer Unterschied: wir unterscheiden von der Gewißheit noch die Wahrheit. Wir wissen sehr wohl, daß vieles für gewiß gewußt worden ist und gewußt wird, was darum doch nicht wahr ist. Die Menschen haben lange genug es für gewiß gewußt, und Millionen wissen es noch für gewiß, um das triviale Beispiel anzuführen, daß die Sonne um die Erde läuft; noch mehr: die Ägypter haben geglaubt, sie haben es für gewiß gewußt, daß der Apis, die Griechen, daß der Jupiter usf. ein hoher oder der höchste Gott ist, wie die Inder noch gewiß wissen, daß die Kuh, andere Inder, Mongolen und viele Völker, daß ein Mensch, der Dalai-Lama, Gott ist. Daß diese Gewißheit ausgesprochen und behauptet werde, wird zugestanden; ein Mensch mag ganz wohl noch sagen: ich weiß etwas gewiß, ich glaube es, es ist wahr. Allein zugleich ist eben damit jedem anderen zugestanden, dasselbe zu sagen; denn jeder ist Ich, jeder weiß, jeder weiß gewiß. Dies unumgängliche Zugeständnis aber drückt aus, daß dies Wissen, Gewißwissen, dies Abstrakte den verschiedensten, entgegengesetztesten Inhalt haben kann, und die Bewährung des Inhalts soll eben in dieser Versicherung des Gewißwissens, des Glaubens liegen. Aber welcher Mensch wird sich hinstellen und sprechen: "nur das, was ich weiß und gewiß weiß, ist wahr; das, was ich gewiß weiß, ist wahr darum, weil ich es gewiß weiß"? - Ewig steht der bloßen Gewißheit die Wahrheit gegenüber, und über die Wahrheit entscheidet die Gewißheit, unmittelbares Wissen, Glaube nicht. Von der wahrhaftig unmittelbarsten, sichtbaren Gewißheit, welche die Apostel und Freunde Christi aus seiner unmittelbaren Gegenwart, seinen eigenen Reden und Aussagen seines Mundes mit ihren Ohren, allen Sinnen und dem Gemüte schöpften, von solchem Glauben, einer solchen Glaubensquelle verwies er sie auf die Wahrheit, in welche sie durch den Geist erst in weitere Zukunft eingeführt werden sollten. Für etwas weiteres als jene aus besagter Quelle geschöpfte höchste Gewißheit ist nichts vorhanden als der Gehalt an ihm selbst. Auf den angegebenen abstrakten Formalismus reduziert sich der Glaube, indem er als unmittelbares Wissen gegen vermitteltes bestimmt wird; diese Abstraktion erlaubt es, die sinnliche Gewißheit, die ich davon habe, daß ein Körper an mir ist, daß Dinge außer mir sind, nicht nur Glauben zu nennen, sondern aus ihr es abzuleiten oder zu bewähren, was die Natur des Glaubens sei. Man würde aber dem, was in der religiösen Sphäre Glauben geheißen hat, sehr Unrecht tun, wenn man in demselben nur jene Abstraktion sehen wollte. Vielmehr soll der Glaube gehaltvoll, er soll ein Inhalt sein, welcher wahrhafter Inhalt sei, vielmehr von solchem Inhalt, dem die sinnliche Gewißheit, daß ich einen Körper habe, daß sinnliche Dinge mich umgeben, ganz entfernt stehen; er soll Wahrheit enthalten, und zwar eine ganz andere, aus einer ganz anderen Sphäre als der letztgenannten der endlichen, sinnlichen Dinge. Die angegebene Richtung auf die formelle Subjektivität muß daher das Glauben als solches selbst zu objektiv finden, denn dasselbe betrifft immer noch Vorstellungen, ein Wissen davon, ein Überzeugtsein von einem Inhalt. Diese letzte Form des Subjektiven, in welcher die Gestalt vom Inhalt und das Vorstellen und Wissen von solchem verschwunden ist, ist die des Gefühls. Von ihr zu sprechen, können wir daher gleichfalls nicht Umgang nehmen; sie ist es noch mehr, die in unseren Zeiten, gleichfalls nicht unbefangen, sondern als ein Resultat der Bildung, aus Gründen, denselben, die schon angeführt sind, gefordert wird.
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