Die wahrhafte Aufnahme der Endlichkeit in das Allgemeine und die Anschauung dieser Einheit konnte sich nicht innerhalb dieser Religionen entwickeln, nicht in der römischen und griechischen Welt entstehen. Die Buße der Welt, das Abtun der Endlichkeit und die im Geiste der Welt überhandnehmende Verzweiflung, in der Zeitlichkeit und Endlichkeit Befriedigung zu finden, - das alles diente zur Bereitung des Bodens für die wahrhafte, geistige Religion, einer Bereitung, die von seiten des Menschen vollbracht werden mußte, damit "die Zeit erfüllet werde". Wenn schon das Prinzip des Denkens sich entwickelt hatte, so war das Allgemeine doch noch nicht in seiner Reinheit Gegenstand des Bewußtseins, wie selbst im philosophischen Denken die Verbindung mit der gemeinen Äußerlichkeit sich zeigte, wenn die Stoiker die Welt aus dem Feuer entstehen ließen. Vielmehr konnte nur in einem Volke die Versöhnung hervortreten, welches die ganz abstrakte Anschauung des Einen für sich besaß und die Endlichkeit völlig von sich geworfen hatte, um sie gereinigt in sich wieder fassen zu können. Das orientalische Prinzip der reinen Abstraktion mußte sich mit der Endlichkeit und Einzelheit des Abendlandes vereinigen. Das jüdische Volk ist es, das sich Gott als den alten Schmerz der Welt aufbewahrt hat. Denn hier ist die Religion des abstrakten Schmerzens, des einen Herrn, gegen und in dessen Abstraktion sich deswegen die Wirklichkeit des Lebens als der unendliche Eigensinn des Selbstbewußtseins erhält und zugleich in die Abstraktion zusammengebunden ist. Der alte Fluch hat sich gelöst, und ihm ist Heil widerfahren, eben indem die Endlichkeit ihrerseits sich zum Positiven und zur unendlichen Endlichkeit erhoben und geltend gemacht hat.
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