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Selbstgefühl
§ 407
1. Die fühlende Totalität ist als Individualität wesentlich dies, sich in sich selbst zu unterscheiden und zum Urteil in sich zu erwachen, nach welchem sie besondere Gefühle hat und als Subjekt in Beziehung auf diese ihre Bestimmungen ist. Das Subjekt als solches setzt dieselben als seine Gefühle in sich. Es ist in diese Besonderheit der Empfindungen versenkt, und zugleich schließt es durch die Idealität des Besonderen sich darin mit sich als subjektivem Eins zusammen. Es ist auf diese Weise Selbstgefühl - und ist dies zugleich nur im besonderen Gefühl.
§ 408
2. Um der Unmittelbarkeit, in der das Selbstgefühl noch bestimmt ist, d. i. um des Moments der Leiblichkeit willen, die darin noch ungeschieden von der Geistigkeit ist, und indem auch das Gefühl selbst ein besonderes, hiermit eine partikuläre Verleiblichung ist, ist das obgleich zum verständigen Bewußtsein gebildete Subjekt noch der Krankheit fähig, daß es in einer Besonderheit seines Selbstgefühls beharren bleibt, welche es nicht zur Idealität zu verarbeiten und zu überwinden vermag. Das erfüllte Selbst des verständigen Bewußtseins ist das Subjekt als in sich konsequentes, nach seiner individuellen Stellung und dem Zusammenhange mit der äußeren, ebenso innerhalb ihrer geordneten Welt sich ordnendes und haltendes Bewußtsein. In einer besonderen Bestimmtheit aber befangen bleibend, weist es solchem Inhalte nicht die verständige Stelle und die Unterordnung an, die ihm in dem individuellen Weltsysteme, welches ein Subjekt ist, zugehört. Das Subjekt befindet sich auf diese Weise im Widerspruche seiner in seinem Bewußtsein systematisierten Totalität und der besonderen in derselben nicht flüssigen und nicht ein- und untergeordneten Bestimmtheit, - die Verrücktheit.
Bei der Betrachtung der Verrücktheit ist gleichfalls das ausgebildete, verständige Bewußtsein zu antizipieren, welches Subjekt zugleich natürliches Selbst des Selbstgefühls ist. In dieser Bestimmung ist es fähig, in den Widerspruch seiner für sich freien Subjektivität und einer Besonderheit, welche darin nicht ideell wird und im Selbstgefühle festbleibt, zu verfallen. Der Geist ist frei und darum für sich dieser Krankheit nicht fähig. Er ist von früherer Metaphysik als Seele, als Ding betrachtet worden, und nur als Ding, d. i. als Natürliches und Seiendes ist er der Verrücktheit, der sich in ihm festhaltenden Endlichkeit, fähig. Deswegen ist sie eine Krankheit des Psychischen, ungetrennt des Leiblichen und Geistigen; der Anfang kann mehr von der einen oder der anderen Seite auszugehen scheinen und ebenso die Heilung. Als gesund und besonnen hat das Subjekt das präsente Bewußtsein der geordneten Totalität seiner individuellen Welt, in deren System es jeden vorkommenden besonderen Inhalt der Empfindung, Vorstellung, Begierde, Neigung usf. subsumiert und an der verständigen Stelle desselben einordnet; es ist der herrschende Genius über diese Besonderheiten. Es ist der Unterschied wie beim Wachen und Träumen; aber hier fällt der Traum innerhalb des Wachens selbst, so daß er dem wirklichen Selbstgefühl angehört. Irrtum und dergleichen ist ein in jenen objektiven Zusammenhang konsequent aufgenommener Inhalt. Es ist aber im Konkreten oft schwer zu sagen, wo er anfängt, Wahnsinn zu werden. So kann eine heftige, aber ihrem Gehalte nach geringfügige Leidenschaft des Hasses usf. gegen die vorauszusetzende höhere Besonnenheit und Halt in sich als ein Außersichsein des Wahnsinnes erscheinen. Dieser enthält aber wesentlich den Widerspruch eines leiblich, seiend gewordenen Gefühls gegen die Totalität der Vermittlungen, welche das konkrete Bewußtsein ist. Der Geist als nur seiend bestimmt, insofern ein solches Sein unaufgelöst in seinem Bewußtsein ist, ist krank. - Der Inhalt, der in dieser seiner Natürlichkeit frei wird, sind die selbstsüchtigen Bestimmungen des Herzens, Eitelkeit, Stolz und die anderen Leidenschaften und Einbildungen, Hoffnungen, Liebe und Haß des Subjekts. Dieses Irdische wird frei, indem die Macht der Besonnenheit und des Allgemeinen, der theoretischen oder moralischen Grundsätze über das Natürliche nachläßt, von welcher dasselbe sonst unterworfen und versteckt gehalten wird; denn an sich vorhanden ist dies Böse in dem Herzen, weil dieses, als unmittelbar, natürlich und selbstisch ist. Es ist der böse Genius des Menschen, der in der Verrücktheit herrschend wird, aber im Gegensatze und im Widerspruche gegen das Bessere und Verständige, das im Menschen zugleich ist, so daß dieser Zustand Zerrüttung und Unglück des Geistes in ihm selbst ist. - Die wahrhafte psychische Behandlung hält darum auch den Gesichtspunkt fest, daß die Verrücktheit nicht abstrakter Verlust der Vernunft, weder nach der Seite der Intelligenz noch des Willens und seiner Zurechnungsfähigkeit, sondern nur Verrücktheit, nur Widerspruch in der noch vorhandenen Vernunft, wie die physische Krankheit nicht abstrakter, d. i. gänzlicher Verlust der Gesundheit (ein solcher wäre der Tod), sondern ein Widerspruch in ihr ist. Diese menschliche, d. i. ebenso wohlwollende als vernünftige Behandlung - Pinel 3) verdient die höchste Anerkennung für die Verdienste, die er um sie gehabt - setzt den Kranken als Vernünftiges voraus und hat hieran den festen Halt, an dem sie ihn nach dieser Seite erfassen kann, wie nach der Leiblichkeit an der Lebendigkeit, welche als solche noch Gesundheit in sich enthält.
Zusatz. Zur Erläuterung des obenstehenden Paragraphen möge noch folgendes dienen: Bereits im Zusatz zu § 402 ist die Verrücktheit als die zweite unter den drei Entwicklungsstufen aufgefaßt worden, welche die fühlende Seele in ihrem Kampfe mit der Unmittelbarkeit ihres substantiellen Inhalts durchläuft, um sich zu der im Ich vorhandenen sich auf sich beziehenden einfachen Subjektivität zu erheben und dadurch ihrer selbst vollkommen mächtig und bewußt zu werden. Diese unsere Auffassung der Verrücktheit als einer in der Entwicklung der Seele notwendig hervortretenden Form oder Stufe ist natürlicherweise nicht so zu verstehen, als ob damit behauptet würde, jeder Geist, jede Seele müsse durch diesen Zustand äußerster Zerrissenheit hindurchgehen. Eine solche Behauptung wäre ebenso unsinnig wie etwa die Annahme: weil in der Rechtsphilosophie das Verbrechen als eine notwendige Erscheinung des menschlichen Willens betrachtet wird, deshalb solle das Begehen von Verbrechen zu einer unvermeidlichen Notwendigkeit für jeden Einzelnen gemacht werden. Das Verbrechen und die Verrücktheit sind Extreme, welche der Menschengeist überhaupt im Verlauf seiner Entwicklung zu überwinden hat, die jedoch nicht in jedem Menschen als Extreme, sondern nur in der Gestalt von Beschränktheiten, Irrtümern, Torheiten und von nicht verbrecherischer Schuld erscheinen Dies ist hinreichend, um unsere Betrachtung der Verrücktheit als einer wesentlichen Entwicklungsstufe der Seele zu rechtfertigen. Was aber die Bestimmung Begriffs der Verrücktheit betrifft, so ist schon im Zusatz zu § 405 das Eigentümliche dieses Zustands - im Unterschied von dem auf der ersten der drei Entwicklungsstufen der fühlenden Seele von uns betrachteten magnetischen Somnambulismus - dahin angegeben worden, daß in der Verrücktheit das Seelenhafte zu dem objektiven Bewußtsein nicht mehr das Verhältnis eines bloß Verschiedenen, sondern das eines direkt Entgegengesetzten hat und deshalb sich mit jenem Bewußtsein nicht mehr vermischt. Die Wahrheit dieser Angabe wollen wir hier durch eine weitere Auseinandersetzung dartun und dadurch zugleich die vernünftige Notwendigkeit des Fortgangs unserer Betrachtung von den magnetischen Zuständen zur Verrücktheit beweisen. Die Notwendigkeit jenes Fortgangs liegt aber darin, daß die Seele schon an sich der Widerspruch ist, ein Individuelles, Einzelnes und doch zugleich mit der allgemeinen Naturseele, mit ihrer Substanz unmittelbar identisch zu sein. Diese in der ihr widersprechenden Form der Identität existierende Entgegensetzung muß als Entgegensetzung, als Widerspruch gesetzt werden. Dies geschieht erst in der Verrücktheit; denn erst in derselben trennt sich die Subjektivität der Seele nicht bloß von ihrer im Somnambulismus noch unmittelbar mit ihr identischen Substanz, sondern kommt in direkten Gegensatz gegen diese, in völligen Widerspruch mit dem Objektiven, wird dadurch zur rein formellen, leeren, abstrakten Subjektivität und maßt sich in dieser ihrer Einseitigkeit die Bedeutung einer wahrhaften Einheit des Subjektiven und Objektiven an. Die in der Verrücktheit vorhandene Einheit und Trennung der eben genannten entgegengesetzten Seiten ist daher noch eine unvollkommene. Zu ihrer vollkommenen Gestalt gelangt diese Einheit und diese Trennung nur im vernünftigen, im wirklich objektiven Bewußtsein. Wenn ich mich zum vernünftigen Denken erhoben habe, bin ich nicht nur für mich, mir gegenständlich, also eine subjektive Identität des Subjektiven und Objektiven, sondern ich habe zweitens diese Identität von mir abgeschieden, als eine wirklich objektive mir gegenübergestellt. Um zu dieser vollkommenen Trennung zu gelangen, muß die fühlende Seele ihre Unmittelbarkeit, ihre Natürlichkeit, die Leiblichkeit überwinden, ideell setzen, sich zu eigen machen, dadurch in eine objektive Einheit des Subjektiven und Objektiven umbilden und damit sowohl ihr Anderes aus dessen unmittelbarer Identität mit ihr entlassen, als zugleich sich selber von diesem Anderen befreien. Zu diesem Ziele ist aber die Seele auf dem Standpunkte, auf welchem wir sie jetzt betrachten, noch nicht gelangt. Insofern sie verrückt ist, hält sie vielmehr an einer nur subjektiven Identität des Subjektiven und Objektiven als an einer objektiven Einheit dieser beiden Seiten fest, und nur insofern sie, neben aller Narrheit und allem Wahnsinn, doch zugleich noch vernünftig ist, also auf einem anderen als dem jetzt zu betrachtenden Standpunkte steht, gelangt sie zu einer objektiven Einheit des Subjektiven und Objektiven. Im Zustande der eigentlichen Verrücktheit sind nämlich beide Weisen des endlichen Geistes - einerseits das in sich entwickelte vernünftige Bewußtsein mit seiner objektiven Welt, andererseits das an sich festhaltende, in sich selber seine Objektivität habende innere Empfinden - jede für sich zur Totalität, zu einer Persönlichkeit ausgebildet. Das objektive Bewußtsein der Verrückten zeigt sich auf die mannigfaltigste Art: sie wissen z. B., daß sie im Irrenhause sind; sie kennen ihre Aufwärter; wissen auch rücksichtlich anderer, daß dieselben Narren sind; machen sich über ihre gegenseitige Narrheit lustig; werden zu allerlei Verrichtungen gebraucht, mitunter sogar zu Aufsehern ernannt. Aber zugleich träumen sie wachend und sind an eine mit ihrem objektiven Bewußtsein nicht zu vereinigende besondere Vorstellung gebannt. Dies ihr waches Träumen hat eine Verwandtschaft mit dem Somnambulismus; zugleich unterscheidet sich jedoch das erstere von dem letzteren. Während im Somnambulismus die beiden in einem Individuum vorhandenen Persönlichkeiten einander nicht berühren, das somnambule Bewußtsein vielmehr von dem wachen Bewußtsein so getrennt ist, daß keines derselben von dem anderen weiß und die Zweiheit der Persönlichkeiten auch als eine Zweiheit der Zustände erscheint, sind dagegen in der eigentlichen Verrücktheit die zweierlei Persönlichkeiten nicht zweierlei Zustände, sondern in einem und demselben Zustande, so daß diese gegeneinander negativen Persönlichkeiten -das seelenhafte und das verständige Bewußtsein - sich gegenseitig berühren und voneinander wissen. Das verrückte Subjekt ist daher in dem Negativen seiner selber bei sich; d. h. in seinem Bewußtsein ist unmittelbar das Negative desselben vorhanden. Dies Negative wird vom Verrückten nicht überwunden, das Zwiefache, in welches er zerfällt, nicht zur Einheit gebracht. Obgleich an sich ein und dasselbe Subjekt, hat folglich der Verrückte sich dennoch nicht als ein mit sich selber übereinstimmendes, in sich ungetrenntes, sondern als ein in zweierlei Persönlichkeiten auseinandergehendes Subjekt zum Gegenstande. Der bestimmte Sinn dieser Zerrissenheit, dieses Beisichseins des Geistes im Negativen seiner selber, bedarf einer noch weiteren Entwicklung. Jenes Negative bekommt in der Verrücktheit eine konkretere Bedeutung, als das Negative der Seele in unserer bisherigen Betrachtung gehabt hat, wie auch das Beisichsein des Geistes hier in einem erfüllteren Sinne als das bisher zustande gekommene Fürsichsein der Seele genommen werden muß. Zunächst ist also jenes für die Verrücktheit charakteristische Negative von andersartigem Negativen der Seele zu unterscheiden. Zu dem Ende können wir bemerken, daß, wenn wir z. B. Beschwerlichkeiten ertragen, wir auch in einem Negativen bei uns selber sind, deswegen aber noch keine Narren zu sein brauchen. Dies werden wir erst dann, wenn wir beim Ertragen der Beschwerlichkeiten keinen nur durch dasselbe zu erreichenden vernünftigen Zweck haben. So wird man z. B. eine zur Seelenstärkung nach dem Heiligen Grabe unternommene Reise für eine Narrheit ansehen dürfen, weil solche Reise für den dabei vorschwebenden Zweck ganz unnütz, also kein notwendiges Mittel für dessen Erreichung ist. Aus gleichem Grunde kann das mit kriechendem Körper durch ganze Länder ausgeführte Reisen der Inder für eine Verrücktheit erklärt werden. Das in der Verrücktheit ertragene Negative ist also ein solches, in welchem nur das empfindende, nicht aber das verständige und vernünftige Bewußtsein sich wiederfindet. In dem verrückten Zustande macht aber, wie schon oben gesagt, das Negative eine Bestimmung aus, welche sowohl dem seelenhaften wie dem verständigen Bewußtsein in deren gegenseitiger Beziehung zukommt. Diese Beziehung jener beiden einander entgegengesetzten Weisen des Beisichseins des Geistes bedarf gleichfalls einer näheren Charakterisierung, damit dieselbe nicht mit dem Verhältnis verwechselt werde, in welchem der bloße Irrtum und die Torheit zu dem objektiven, vernünftigen Bewußtsein stehen. Um diesen Punkt zu erläutern, wollen wir daran erinnern, daß, indem die Seele Bewußtsein wird, für sie durch die Trennung des in der natürlichen Seele auf unmittelbare Weise Vereinigten der Gegensatz eines subjektiven Denkens und der Äußerlichkeit entsteht, - zwei Welten, die in Wahrheit zwar miteinander identisch sind ("ordo rerum atque idearum idem est", sagt Spinoza 4) ), die jedoch dem bloß reflektierenden Bewußtsein, dem endlichen Denken, als wesentlich verschiedene und gegeneinander selbständige erscheinen. Somit tritt die Seele, als Bewußtsein, in die Sphäre der Endlichkeit und Zufälligkeit, des Sich-selber-Äußerlichen, somit Vereinzelten. Was ich auf diesem Standpunkt weiß, das weiß ich zunächst als ein Vereinzeltes, Unvermitteltes, folglich als ein Zufälliges, als ein Gegebenes, Gefundenes. Das Gefundene und Empfundene verwandele ich in Vorstellungen und mache dasselbe zugleich zu einem äußerlichen Gegenstande. Diesen Inhalt erkenne ich dann aber, insofern die Tätigkeit meines Verstandes und meiner Vernunft sich auf denselben richtet, zugleich als ein nicht bloß Vereinzeltes und Zufälliges, sondern als Moment eines großen Zusammenhangs, als ein mit anderem Inhalt in unendlicher Vermittlung Stehendes und durch diese Vermittlung zu etwas Notwendigem Werdendes. Nur wenn ich auf die eben angegebene Art verfahre, bin ich bei Verstande und erhält der mich erfüllende Inhalt seinerseits die Form der Objektivität. Wie diese Objektivität das Ziel meines theoretischen Strebens ist, so bildet dieselbe auch die Norm meines praktischen Verhaltens. Will ich daher meine Zwecke und Interessen, also von mir ausgehende Vorstellungen, aus ihrer Subjektivität in die Objektivität versetzen, so muß ich mir, wenn ich verständig sein soll, das Material, das mir gegenüberstehende Dasein, in welchem ich jenen Inhalt zu verwirklichen beabsichtige, so vorstellen, wie dasselbe in Wahrheit ist. Ebenso aber wie von der mir gegenüberstehenden Objektivität muß ich, um mich verständig zu benehmen, eine richtige Vorstellung von mir selber haben, d. h. eine solche Vorstellung, die mit der Totalität meiner Wirklichkeit, mit meiner unendlich bestimmten, von meinem substantiellen Sein unterschiedenen Individualität übereinstimmt. Sowohl über mich selbst wie über die Außenwelt kann ich mich nun allerdings irren. Unverständige Menschen haben leere, subjektive Vorstellungen, unausführbare Wünsche, die sie gleichwohl in Zukunft zu realisieren hoffen. Sie bornieren sich auf ganz vereinzelte Zwecke und Interessen, halten an einseitigen Grundsätzen fest und kommen dadurch mit der Wirklichkeit in Zwiespalt. Aber diese Borniertheit sowie jener Irrtum sind noch nichts Verrücktes, wenn die Unverständigen zugleich wissen, daß ihr Subjektives noch nicht objektiv existiert. Zur Verrücktheit wird der Irrtum und die Torheit erst in dem Fall, wo der Mensch seine nur subjektive Vorstellung als objektiv sich gegenwärtig zu haben glaubt und gegen die mit derselben in Widerspruch stehende wirkliche Objektivität festhält. Den Verrückten ist ihr bloß Subjektives ganz ebenso gewiß wie das Objektive; an ihrer nur subjektiven Vorstellung - zum Beispiel an der Einbildung, dieser Mensch, der sie nicht sind, in der Tat zu sein - haben sie die Gewißheit ihrer selbst, hängt ihr Sein. Wenn daher jemand Verrücktes spricht, so ist immer das Erste dies, daß man ihn an den ganzen Umfang seiner Verhältnisse, an seine konkrete Wirklichkeit erinnert. Hält er dann, obgleich also jener objektive Zusammenhang vor seine Vorstellung gebracht ist und von ihm gewußt wird, nichtsdestoweniger an seiner falschen Vorstellung fest, so unterliegt das Verrücktsein eines solchen Menschen keinem Zweifel. Aus dem eben Gesagten folgt, daß man die verrückte Vorstellung eine vom Verrückten für etwas Konkretes und Wirkliches angesehene leere Abstraktion und bloße Möglichkeit nennen kann, denn wie wir gesehen haben, wird eben in jener Vorstellung von der konkreten Wirklichkeit des Verrückten abstrahiert. Wenn z. B. ich, der ich ein König zu sein weit entfernt bin, dennoch mich für einen König halte, so hat diese der Totalität meiner Wirklichkeit widersprechende und deshalb verrückte Vorstellung durchaus keinen anderen Grund und Inhalt als die unbestimmte allgemeine Möglichkeit, daß, da überhaupt ein Mensch ein König sein kann, gerade ich, dieser bestimmte Mensch, ein König wäre. Daß aber ein solches Festhalten an einer mit meiner konkreten Wirklichkeit unvereinbaren besonderen Vorstellung in mir entstehen kann, davon liegt der Grund darin, daß ich zunächst ganz abstraktes, vollkommen unbestimmtes, daher allem beliebigen Inhalte offenstehendes Ich bin. Insofern ich dies bin, kann ich mir die leersten Vorstellungen machen, mich z. B. für einen Hund halten (daß Menschen in Hunde verwandelt worden sind, kommt ja in Märchen vor) oder mir einbilden, daß ich zu fliegen vermöge, weil Platz genug dazu vorhanden ist und weil andere lebende Wesen zu fliegen imstande sind. Sowie ich dagegen konkretes Ich werde, bestimmte Gedanken von der Wirklichkeit erhalte, sowie ich z. B. in dem letzterwähnten Fall an meine Schwere denke, so sehe ich die Unmöglichkeit meines Fliegens ein. Nur der Mensch gelangt dazu, sich in jener vollkommenen Abstraktion des Ich zu erfassen. Dadurch hat er sozusagen das Vorrecht der Narrheit und des Wahnsinns. Diese Krankheit entwickelt sich aber in dem konkreten, besonnenen Selbstbewußtsein nur insofern, als dasselbe zu dem vorher besprochenen ohnmächtigen, passiven, abstrakten Ich heruntersinkt. Durch dies Heruntersinken verliert das konkrete Ich die absolute Macht über das ganze System seiner Bestimmungen, büßt die Fähigkeit ein, alles an die Seele Kommende an die rechte Stelle zu setzen, in jeder seiner Vorstellungen sich selber vollkommen gegenwärtig zu bleiben, läßt sich von einer besonderen, nur subjektiven Vorstellung gefangennehmen, wird durch dieselbe außer sich gebracht, aus dem Mittelpunkt seiner Wirklichkeit herausgerückt und bekommt, da es zugleich noch ein Bewußtsein seiner Wirklichkeit behält, zwei Mittelpunkte, - den einen in dem Rest seines verständigen Bewußtseins, den anderen in seiner verrückten Vorstellung. In dem verrückten Bewußtsein steht die abstrakte Allgemeinheit des unmittelbaren, seienden Ich mit einer von der Totalität der Wirklichkeit abgerissenen, somit vereinzelten Vorstellung in unaufgelöstem Widerspruch. Jenes Bewußtsein ist daher nicht wahrhaftes, sondern im Negativen des Ich steckenbleibendes Beisichsein. Ein ebenso unaufgelöster Widerspruch herrscht hier zwischen jener vereinzelten Vorstellung und der abstrakten Allgemeinheit des Ich einerseits und der in sich harmonischen totalen Wirklichkeit andererseits. Hieraus erhellt, daß der von der begreifenden Vernunft mit Recht verfochtene Satz: "Was ich denke, das ist wahr", in dem Verrückten einen verrückten Sinn erhält und zu etwas gerade so Unwahrem wird wie die vom Unverstand des Verstandes jenem Satze entgegengestellte Behauptung der absoluten Geschiedenheit des Subjektiven und Objektiven. Vor diesem Unverstande, wie vor der Verrücktheit, hat schon die bloße Empfindung der gesunden Seele den Vorzug der Vernünftigkeit insofern, als in derselben die wirkliche Einheit des Subjektiven und Objektiven vorhanden ist. Wie bereits oben gesagt worden ist, erhält jedoch diese Einheit ihre vollkommene Form erst in der begreifenden Vernunft, denn nur, was von dieser gedacht wird, ist sowohl seiner Form wie seinem Inhalte nach ein Wahres, - eine vollkommene Einheit des Gedachten und des Seienden. In der Verrücktheit dagegen sind die Einheit und der Unterschied des Subjektiven und Objektiven noch etwas bloß Formelles, den konkreten Inhalt der Wirklichkeit Ausschließendes. Des Zusammenhangs wegen und zugleich zu noch größerer Verdeutlichung wollen wir an dieser Stelle etwas, das schon in obenstehendem Paragraphen und in der Anmerkung zu demselben mehrfach berührt worden ist, in zusammengedrängterer und, wo möglich, bestimmterer Form wiederholen, - wir meinen den Punkt, daß die Verrücktheit wesentlich als eine zugleich geistige und leibliche Krankheit um deswillen gefaßt werden muß, weil in ihr eine noch ganz unmittelbare, noch nicht durch die unendliche Vermittlung hindurchgegangene Einheit des Subjektiven und Objektiven herrscht, das von der Verrücktheit betroffene Ich, so scharf diese Spitze des Selbstgefühls auch sein mag, noch ein Natürliches, Unmittelbares, Seiendes ist, folglich in ihm das Unterschiedene als ein Seiendes festwerden kann; oder, noch bestimmter, weil in der Verrücktheit ein dem objektiven Bewußtsein des Verrückten widersprechendes besonderes Gefühl als etwas Objektives gegen jenes Bewußtsein festgehalten, nicht ideell gesetzt wird, dies Gefühl folglich die Gestalt eines Seienden, somit Leiblichen hat, dadurch aber in dem Verrückten eine von seinem objektiven Bewußtsein nicht überwundene Zweiheit des Seins, ein seiender, für die verrückte Seele zur festen Schranke werdender Unterschied sich hervorbringt. Was ferner die gleichfalls bereits in obigem Paragraphen aufgeworfene Frage betrifft, wie der Geist dazu kommt, verrückt zu sein, so kann außer der daselbst gegebenen Antwort hier noch bemerkt werden, daß jene Frage schon das von der Seele auf deren jetziger Entwicklungsstufe noch nicht erreichte feste, objektive Bewußtsein voraussetzt und daß an der Stelle, wo unsere Betrachtung jetzt steht, vielmehr die umgekehrte Frage zu beantworten ist, nämlich die Frage, wie die in ihre Innerlichkeit eingeschlossene, mit ihrer individuellen Welt unmittelbar identische Seele aus dem bloß formellen, leeren Unterschiede des Subjektiven und Objektiven zum wirklichen Unterschiede dieser beiden Seiten und damit zum wahrhaft objektiven, verständigen und vernünftigen Bewußtsein gelangt. Die Antwort hierauf wird in den letzten vier Paragraphen des ersten Teiles der Lehre vom subjektiven Geiste gegeben werden. Aus demjenigen, was über die Notwendigkeit, mit dem natürlichen Geiste die philosophische Betrachtung des subjektiven Geistes zu beginnen, zu Anfang dieser Anthropologie gesagt worden ist, und aus dem im Obigen nach allen Seiten hin entwickelten Begriff der Verrücktheit wird übrigens sattsam einleuchten, warum dieselbe vor dem gesunden, verständigen Bewußtsein abgehandelt werden muß, obgleich sie den Verstand zur Voraussetzung hat und nichts anderes ist als das Äußerste des Krankheitszustandes, in welchen jener versinken kann. Wir hatten die Erörterung dieses Zustandes schon in der Anthropologie abzumachen, weil in demselben das Seelenhafte, das natürliche Selbst, die abstrakte formelle Subjektivität über das objektive, vernünftige, konkrete Bewußtsein die Herrschaft bekommt, die Betrachtung des abstrakten, natürlichen Selbstes aber der Darstellung des konkreten, freien Geistes vorangehen muß. Damit jedoch dieser Fortgang von etwas Abstraktem zu dem dasselbe der Möglichkeit nach enthaltenden Konkreten nicht das Ansehen einer vereinzelten und deshalb bedenklichen Erscheinung habe, können wir daran erinnern, daß in der Rechtsphilosophie ein ähnlicher Fortgang stattfinden muß. Auch in dieser Wissenschaft beginnen wir mit etwas Abstraktem, nämlich mit dem Begriff des Willens, schreiten dann zu der in einem äußerlichen Dasein erfolgenden Verwirklichung des noch abstrakten Willens zur Sphäre des formellen Rechtes fort, gehen darauf zu dem aus dem äußeren Dasein in sich reflektierten Willen, dem Gebiete der Moralität über und kommen endlich drittens zu dem diese beiden abstrakten Momente in sich vereinigenden und darum konkreten, sittlichen Willen. In der Sphäre der Sittlichkeit selber fangen wir dann wieder von einem Unmittelbaren, von der natürlichen, unentwickelten Gestalt an, welche der sittliche Geist in der Familie hat, kommen darauf zu der in der bürgerlichen Gesellschaft erfolgenden Entzweiung der sittlichen Substanz und gelangen zuletzt zu der im Staate vorhandenen Einheit und Wahrheit jener beiden einseitigen Formen des sittlichen Geistes. - Aus diesem Gange unserer Betrachtung folgt jedoch nicht im mindesten, daß wir die Sittlichkeit zu etwas der Zeit nach Späterem als das Recht und die Moralität machen oder die Familie und die bürgerliche Gesellschaft für etwas dem Staate in der Wirklichkeit Vorangehendes erklären wollten. Vielmehr wissen wir sehr wohl, daß die Sittlichkeit die Grundlage des Rechtes und der Moralität ist, sowie daß die Familie und die bürgerliche Gesellschaft mit ihren wohlgeordneten Unterschieden schon das Vorhandensein des Staates voraussetzen. In der philosophischen Entwicklung des Sittlichen können wir jedoch nicht mit dem Staate beginnen, da in diesem jenes sich zu seiner konkretesten Form entfaltet, der Anfang dagegen notwendigerweise etwas Abstraktes ist. Aus diesem Grunde muß auch das Moralische vor dem Sittlichen betrachtet werden, obgleich jenes gewissermaßen nur als eine Krankheit an diesem sich hervortut. Aus dem nämlichen Grunde haben wir aber auch in dem anthropologischen Gebiete die Verrücktheit, da dieselbe, wie wir gesehen, in einer gegen das konkrete, objektive Bewußtsein des Verrückten festgehaltenen Abstraktion besteht, vor diesem Bewußtsein zu erörtern gehabt. - Hiermit wollen wir die Bemerkungen schließen, die wir über den Begriff der Verrücktheit überhaupt hier zu machen hatten. Was aber die besonderen Arten des verrückten Zustandes anbelangt, so unterscheidet man dieselben gewöhnlich nicht sowohl nach einer inneren Bestimmtheit als vielmehr nach den Äußerungen dieser Krankheit. Dies ist für die philosophische Betrachtung nicht genügend. Sogar die Verrücktheit haben wir als ein auf notwendige und insofern vernünftige Weise in sich Unterschiedenes zu erkennen. Eine notwendige Unterscheidung dieses Seelenzustandes läßt sich aber nicht von dem besonderen Inhalt der in der Verrücktheit vorhandenen formellen Einheit des Subjektiven und Objektiven herleiten, denn jener Inhalt ist etwas unendlich Mannigfaltiges und somit Zufälliges. Wir müssen daher im Gegenteil die an der Verrücktheit hervortretenden ganz allgemeinen Formunterschiede ins Auge fassen. Zu dem Zwecke haben wir darauf zurückzuverweisen, daß die Verrücktheit im Obigen als eine Verschlossenheit des Geistes, als ein Insichversunkensein bezeichnet worden ist, dessen Eigentümlichkeit, im Gegensatze gegen das im Somnambulismus vorhandene Insichsein des Geistes, darin besteht, mit der Wirklichkeit nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhange sich zu befinden, sondern sich von derselben entschieden abgetrennt zu haben. Dies Insichversunkensein ist nun einerseits das Allgemeine in jeder Art der Verrücktheit; andererseits bildet dasselbe, wenn es bei seiner Unbestimmtheit, bei seiner Leerheit bleibt, eine besondere Art des verrückten Zustandes. Mit dieser haben wir die Betrachtung der verschiedenen Arten von Verrücktheiten zu beginnen. Wenn aber jenes ganz unbestimmte Insichsein einen bestimmten Inhalt bekommt, sich an eine bloß subjektive besondere Vorstellung kettet und diese für etwas Objektives nimmt, dann zeigt sich die zweite Form des verrückten Zustandes. Die dritte und letzte Hauptform dieser Krankheit tritt hervor, wenn dasjenige, was dem Wahne der Seele entgegensteht, gleichfalls für dieselbe ist, wenn der Verrückte seine bloß subjektive Vorstellung mit seinem objektiven Bewußtsein vergleicht, den zwischen beiden befindlichen schneidenden Gegensatz entdeckt und somit zu dem unglücklichen Gefühl seines Widerspruchs mit sich selber gelangt. Hier sehen wir die Seele in dem mehr oder weniger verzweiflungsvollen Streben, sich aus dem schon in der zweiten Form der Verrücktheit vorhandenen, dort aber kaum oder gar nicht gefühlten Zwiespalt zur konkreten Identität mit sich, zur inneren Harmonie des in dem einen Mittelpunkt seiner Wirklichkeit unerschütterlich beharrenden Selbstbewußtseins wieder herzustellen. Betrachten wir jetzt die eben angegebenen drei Hauptformen der Verrücktheit etwas näher . αα) Der Blödsinn, die Zerstreutheit, die Faselei. Die erste jener drei Hauptformen, das ganz unbestimmte Insichversunkensein, erscheint zunächst als der Blödsinn. Derselbe hat verschiedene Gestalten. Es gibt natürlichen Blödsinn. Dieser ist unheilbar. Vornehmlich gehört hierher dasjenige, was man Kretinismus nennt, - ein Zustand, der teils sporadisch vorkommt, teils in gewissen Gegenden, besonders in engen Tälern und an sumpfigen Orten endemisch ist. Die Kretins sind mißgestaltete, verkrüppelte, häufig mit Kröpfen behaftete, durch völlig stupiden Gesichtsausdruck auffallende Menschen, deren unaufgeschlossene Seele es oft nur zu ganz unartikulierten Tönen bringt. - Außer diesem natürlichen Blödsinn findet sich aber auch solcher Blödsinn, in welchen der Mensch durch unverschuldetes Unglück oder durch eigene Schuld versinkt. Rücksichtlich des ersteren Falles führt Pinel das Beispiel einer blödsinnig Geborenen an, deren Stumpfsinnigkeit, wie man glaubte, von einem äußerst heftigen Schreck herrührte, welchen ihre Mutter, während diese mit ihr schwanger war, gehabt hatte. Oft ist der Blödsinn eine Folge der Raserei, in welchem Falle die Heilung höchst unwahrscheinlich wird, oft endigt auch die Epilepsie mit dem Zustande des Blödsinns. Der nämliche Zustand wird aber nicht weniger häufig durch das Übermaß der Ausschweifungen herbeigeführt. - In betreff der Erscheinung des Blödsinns kann noch erwähnt werden, daß derselbe zuweilen als Starrsucht, als eine vollkommene Lähmung der körperlichen wie der geistigen Tätigkeit sich offenbart. - Der Blödsinn kommt übrigens nicht bloß als ein dauernder, sondern auch als ein vorübergehender Zustand vor. So verfiel z. B. ein Engländer in eine Interesselosigkeit an allen Dingen, erst an der Politik, dann an seinen Geschäften und an seiner Familie, saß, vor sich hinsehend, still, sprach jahrelang kein Wort und zeigte eine Abgestumpftheit, die es zweifelhaft machte, ob er seine Frau und Kinder kenne oder nicht. Derselbe wurde dadurch geheilt, daß ein anderer, genauso wie er gekleidet, sich ihm gegenübersetzte und ihm alles nachmachte. Dies brachte den Kranken in eine gewaltige Aufregung, durch welche dessen Aufmerksamkeit auf Äußeres herausgezwungen, der in sich Versunkene dauernd aus sich herausgetrieben wurde. Eine weitere Modifikation der in Rede stehenden ersten Hauptform des verrückten Zustandes ist die Zerstreutheit. Dieselbe besteht in einem Nichtwissen von der unmittelbaren Gegenwart. Oft bildet dies Nichtwissen den Anfang des Wahnsinns; doch gibt es auch eine vom Wahnsinn sehr entfernte, großartige Zerstreutheit. Diese kann eintreten, wenn der Geist durch tiefe Meditationen von der Beachtung alles vergleichsweise Unbedeutenden abgezogen wird. So hatte Archimedes einst sich dermaßen in eine geometrische Aufgabe vertieft, daß er während mehrerer Tage alle anderen Dinge vergessen zu haben schien und aus dieser Konzentration seines Geistes auf einen einzigen Punkt mit Gewalt herausgerissen werden mußte. Die eigentliche Zerstreutheit aber ist ein Versinken in ganz abstraktes Selbstgefühl, in eine Untätigkeit des besonnenen, objektiven Bewußtseins, in eine wissenlose Ungegenwart des Geistes bei solchen Dingen, bei welchen derselbe gegenwärtig sein sollte. Das in diesem Zustande befindliche Subjekt verwechselt im einzelnen Fall seine wahre Stellung mit einer falschen und faßt die äußeren Umstände auf eine einseitige Weise nicht nach der Totalität ihrer Beziehungen auf. Ein ergötzliches Beispiel von diesem Seelenzustande ist, unter vielen anderen Beispielen, ein französischer Graf, der, als seine Perücke am Kronleuchter hängenblieb, darüber mit den anderen Anwesenden herzlich lachte und sich umschaute, um zu entdecken, wessen Perücke fortgerissen sei, wer mit kahlem Kopfe dastehe. Ein anderes hierher gehöriges Beispiel liefert Newton; dieser Gelehrte soll einst den Finger einer Dame ergriffen haben, um denselben als Pfeifenstopfer zu gebrauchen. Solche Zerstreutheit kann Folge von vielem Studieren sein; sie findet sich bei Gelehrten, zumal bei den einer früheren Zeit angehörenden, nicht selten. Häufig entsteht die Zerstreutheit jedoch auch dann, wenn Menschen sich überall ein hohes Ansehen geben wollen, folglich ihre Subjektivität beständig vor Augen haben und darüber die Objektivität vergessen. Der Zerstreutheit steht die an allem ein Interesse nehmende Faselei gegenüber. Dieselbe entspringt aus dem Unvermögen, die Aufmerksamkeit auf irgend etwas Bestimmtes zu fixieren, und besteht in der Krankheit des Taumelns von einem Gegenstande zum anderen. Dies Übel ist meistenteils unheilbar. Narren dieser Art sind die allerbeschwerlichsten. Pinel erzählt von einem solchen Subjekte, das ein vollkommenes Abbild des Chaos war. Er sagt: "Dies Subjekt nähert sich mir und überschwemmt mich mit seinem Geschwätz. Gleich darauf macht dasselbe es mit einem anderen ebenso. Kommt dies Individuum in ein Zimmer, so kehrt es darin alles um, schüttelt und versetzt Stühle und Tische, ohne dabei eine besondere Absicht zu verraten. Kaum hat man das Auge weggewandt, so ist dies Subjekt schon auf der benachbarten Promenade und daselbst ebenso zwecklos beschäftigt wie im Zimmer, plaudert, wirft Steine weg, rupft Kräuter aus, geht weiter und kehrt um, ohne zu wissen weshalb." - Immer entspringt die Faselei aus einer Schwäche der die Gesamtheit der Vorstellungen zusammenhaltenden Kraft des verständigen Bewußtseins. Häufig leiden die Faselnden aber schon am Delirium, - also nicht bloß am Nichtwissen, sondern an der bewußtlosen Verkehrung des unmittelbar Gegenwärtigen. Soviel über die erste Hauptform des verrückten Zustandes. ββ) Die zweite Hauptform desselben, die eigentliche Narrheit entsteht, wenn das oben in seinen verschiedenen Modifikationen betrachtete Insichverschlossensein des natürlichen Geistes einen bestimmten Inhalt bekommt und dieser Inhalt zur fixen Vorstellung dadurch wird, daß der seiner selbst noch nicht vollkommen mächtige Geist in denselben ebensosehr versinkt, wie er beim Blödsinn in sich selber, in den Abgrund seiner Unbestimmtheit versunken ist. Wo die eigentliche Narrheit beginnt, ist schwer mit Genauigkeit zu sagen. Man findet zum Beispiel in kleinen Städten Leute, besonders Weiber, die in einen äußerst beschränkten Kreis von partikulären Interessen dermaßen versunken sind und sich in dieser ihrer Borniertheit so behaglich fühlen, daß wir dergleichen Individuen mit Recht närrische Menschen nennen. Zur Narrheit im engeren Sinne des Wortes gehört aber, daß der Geist in einer einzelnen, bloß subjektiven Vorstellung steckenbleibt und dieselbe für ein Objektives hält. Dieser Seelenzustand rührt meistenteils davon her, daß der Mensch aus Unzufriedenheit mit der Wirklichkeit sich in seine Subjektivität verschließt. Vornehmlich ist die Leidenschaft der Eitelkeit und des Hochmuts die Ursache dieses Sich-in-sich-Einspinnens der Seele. Der so in seine Innerlichkeit sich einnistende Geist verliert dann leicht das Verständnis der Wirklichkeit und findet sich nur in seinen subjektiven Vorstellungen zurecht. Bei diesem Verhalten kann die völlige Narrheit bald entstehen. Denn falls in diesem einsiedlerischen Bewußtsein noch eine Lebendigkeit vorhanden ist, kommt dasselbe leicht dahin, sich irgendeinen Inhalt aus sich zu schaffen und dies bloß Subjektive als etwas Objektives anzusehen und zu fixieren. Während nämlich, wie wir gesehen haben, beim Blödsinn und auch bei der Faselei die Seele nicht die Kraft besitzt, etwas Bestimmtes festzuhalten, zeigt dagegen die eigentliche Narrheit dies Vermögen und beweist eben dadurch, daß sie noch Bewußtsein ist, daß somit in ihr noch eine Unterscheidung der Seele von ihrem festgewordenen Inhalte stattfindet. Obgleich daher das Bewußtsein der Narren einerseits mit jenem Inhalt verwachsen ist, so transzendiert dasselbe doch andererseits, vermöge seiner allgemeinen Natur, den besonderen Inhalt der verrückten Vorstellung. Die Narren haben deshalb, neben ihrer Verdrehtheit in Beziehung auf einen Punkt, zugleich ein gutes, konsequentes Bewußtsein, eine richtige Auffassung der Dinge und die Fähigkeit eines verständigen Handelns. Dadurch und durch die mißtrauische Zurückhaltung der Narren wird es möglich, daß man mitunter einen Narren nicht sogleich als solchen erkennt und daß man namentlich darüber Zweifel hat, ob die Heilung der Narrheit gelungen ist, die Loslassung des Geisteskranken daher erfolgen kann. Der Unterschied der Narren untereinander wird hauptsächlich durch die Mannigfaltigkeit der Vorstellungen bestimmt, die sich in ihnen fixieren. Zur unbestimmtesten Narrheit kann der Lebensüberdruß gerechnet werden, wenn derselbe nicht durch den Verlust geliebter, achtungswerter Personen und sittlicher Verhältnisse veranlaßt wird. Der unbestimmte, grundlose Ekel am Leben ist nicht Gleichgültigkeit gegen dasselbe - denn bei dieser erträgt man das Leben -, sondern vielmehr die Unfähigkeit, es zu ertragen, ein Hin- und Herschwanken zwischen der Neigung und der Abneigung gegen alles, was der Wirklichkeit angehört, ein Gebanntsein an die fixe Vorstellung von der Widerlichkeit des Lebens und zugleich ein Hinausstreben über diese Vorstellung. Von diesem ohne allen vernünftigen Grund entstandenen Widerwillen gegen die Wirklichkeit, wie auch von anderen Weisen der Narrheit, werden vorzugsweise die Engländer befallen, - vielleicht um deswillen, weil bei dieser Nation das Verstocktsein in die subjektive Besonderheit so vorherrschend ist. Jener Lebensüberdruß erscheint bei den Engländern vornehmlich als Melancholie, - als dies nicht zur Lebendigkeit des Denkens und des Handelns kommende beständige Hinbrüten des Geistes über seiner unglücklichen Vorstellung. Aus diesem Seelenzustande entwickelt sich nicht selten ein unbezwingbarer Trieb zum Selbstmord; zuweilen hat dieser Trieb nur dadurch vertilgt werden können, daß der Verzweiflungsvolle gewaltsam aus sich herausgerissen wurde. So erzählt man zum Beispiel, ein Engländer sei, als er im Begriff war, sich in der Themse zu ersäufen, von Räubern angefallen worden, habe sich aufs Äußerste gewehrt und durch das plötzlich erwachende Gefühl von dem Werte des Lebens alle selbstmörderischen Gedanken verloren. Ein anderer Engländer, der sich gehenkt hatte, bekam, als er von seinem Diener losgeschnitten war, nicht nur die Neigung zum Leben, sondern auch die Krankheit des Geizes wieder, denn er zog jenem Diener bei dessen Verabschiedung zwei Pence ab, weil derselbe ohne den Befehl seines Herren den fraglichen Strick zerschnitten hatte. Der eben geschilderten, alle Lebendigkeit abtötenden unbestimmten Gestalt des verrückten Seelenzustandes steht eine mit lebendigen Interessen und sogar mit Leidenschaft verbundene unendliche Menge einen vereinzelten Inhalt habender Narrheiten gegenüber. Dieser Inhalt hängt teils von der besonderen Leidenschaft ab, aus welcher die Narrheit hervorgegangen ist; er kann jedoch auch zufälligerweise durch etwas anderes bestimmt sein. Der erstere Fall wird zum Beispiel bei denjenigen Narren angenommen werden müssen, die sich für Gott, für Christus oder für einen König gehalten haben. Der letztere Fall dagegen wird stattfinden, wenn zum Beispiel Narren ein Gerstenkorn oder ein Hund zu sein oder einen Wagen im Leibe zu haben vermeinen. In beiden Fällen aber hat der bloße Narr kein bestimmtes Bewußtsein von dem zwischen seiner fixen Vorstellung und der Objektivität obwaltenden Widerspruche. Nur wir wissen von diesem Widerspruch; solcher Narr selbst wird von dem Gefühl seiner inneren Zerrissenheit nicht gequält. γγ) Erst wenn die dritte Hauptform des verrückten Zustandes, die Tollheit oder der Wahnsinn, vorhanden ist, haben wir die Erscheinung, daß das verrückte Subjekt selber von seinem Auseinandergerissensein in zwei sich gegenseitig widersprechende Weisen des Bewußtseins weiß, - daß der Geisteskranke selber den Widerspruch zwischen seiner nur subjektiven Vorstellung und der Objektivität lebhaft fühlt und dennoch von dieser Vorstellung nicht abzulassen vermag, sondern dieselbe durchaus zur Wirklichkeit machen oder das Wirkliche vernichten will. In dem eben angegebenen Begriff der Tollheit liegt, daß dieselbe nicht aus einerleeren Einbildung zu entspringen braucht, sondern besonders durch das Betroffenwerden von großem Unglück, durch eine Verrückung der individuellen Welt eines Menschen, oder durch die gewaltsame Umkehrung und das Aus-den-Fugen-Kommen des allgemeinen Weltzustandes bewirkt werden kann, falls das Individuum mit seinem Gemüte ausschließlich in der Vergangenheit lebt und dadurch unfähig wird, sich in die Gegenwart zu finden, von welcher es sich zurückgestoßen und zugleich gebunden fühlt. So sind zum Beispiel in der Französischen Revolution durch den Umsturz fast aller bürgerlichen Verhältnisse viele Menschen wahnsinnig geworden. Dieselbe Wirkung wird oft in der fürchterlichsten Weise durch religiöse Ursachen bewirkt, wenn der Mensch in absolute Ungewißheit darüber, ob er von Gott zu Gnaden angenommen sei, versunken ist. Das in den Wahnsinnigen vorhandene Gefühl ihrer inneren Zerrissenheit kann aber sowohl ein ruhiger Schmerz sein, als auch zur Wut der Vernunft gegen die Unvernunft und dieser gegen jene fortgehen, somit zur Raserei werden. Denn mit jenem unglücklichen Gefühle verbindet sich in den Wahnsinnigen sehr leicht nicht bloß eine von Einbildungen und Grillen gefolterte hypochondrische Stimmung, sondern auch eine mißtrauische, falsche, neidische, tückische und boshafte Gesinnung, eine Ergrimmtheit über ihr Gehemmtsein durch die sie umgebende Wirklichkeit, über diejenigen, von welchen sie eine Beschränkung ihres Willens erfahren, - wie denn auch umgekehrt verzogene Menschen, Individuen, die alles zu ertrotzen gewohnt sind, aus ihrer faselnden Eigensinnigkeit leicht in Wahnsinn geraten, wenn ihnen der das Allgemeine wollende vernünftige Wille einen Damm entgegenstellt, den ihre sich bäumende Subjektivität nicht zu überspringen oder zu durchbrechen imstande ist. - In jedem Menschen kommen Anflüge von Bösartigkeit vor;
der sittliche oder wenigstens kluge Mensch weiß dieselben jedoch zu unterdrücken. Im Wahnsinn aber, wo eine besondere Vorstellung über den vernünftigen Geist die Herrschaft an sich reißt, da tritt überhaupt die Besonderheit des Subjekts ungezügelt hervor, da werfen somit die zu jener Besonderheit gehörenden natürlichen und durch Reflexion entwickelten Triebe das Joch der von dem wahrhaft allgemeinen Willen ausgehenden sittlichen Gesetze ab, - da werden folglich die finsteren, unterirdischen Mächte des Herzens frei. Die Ergrimmtheit der Wahnsinnigen wird oft zu einer förmlichen Sucht, anderen zu schaden, - ja sogar zu einer plötzlich erwachenden Mordlust, welche die davon Ergriffenen, trotz des etwa in ihnen vorhandenen Abscheues vor dem Morde, mit unwiderstehlicher Gewalt zwingt, selbst diejenigen umzubringen, die von ihnen sonst zärtlich geliebt werden. - Wie soeben angedeutet, schließt jedoch die Bösartigkeit der Wahnsinnigen moralische und sittliche Gefühle nicht aus; vielmehr können diese Gefühle, eben wegen des Unglücks der Wahnsinnigen, wegen des in diesen herrschenden unvermittelten Gegensatzes, eine erhöhte Spannung haben. Pinel sagt ausdrücklich, er habe nirgends liebevollere Gatten und Väter gesehen als im Tollhause. Was die physische Seite des Wahnsinns betrifft, so zeigt sich häufig ein Zusammenhang der Erscheinung desselben mit allgemeinen Naturveränderungen, namentlich mit dem Lauf der Sonne. Sehr heiße und sehr kalte Jahreszeit übt in dieser Beziehung besonderen Einfluß aus. Auch hat man wahrgenommen, daß bei Annäherungen von Stürmen und bei großen Witterungswechseln vorübergehende Beunruhigungen und Aufwallungen der Wahnsinnigen erfolgen. In Ansehung der Lebensperioden aber ist die Beobachtung gemacht worden, daß der Wahnsinn vor dem fünfzehnten Jahre nicht einzutreten pflegt. Rücksichtlich der sonstigen körperlichen Verschiedenheiten weiß man, daß bei starken, muskulösen Menschen mit schwarzen Haaren die Anfälle von Raserei gewöhnlich heftiger sind als bei blonden Personen. Inwiefern aber die Verrücktheit mit einer Ungesundheit des Nervensystems zusammenhängt, dies ist ein Punkt, welcher dem Blick des von außen betrachtenden Arztes wie des Anatomen entgeht. Die Heilung der Verrücktheit. Der letzte Punkt, den wir in Betreff des Wahnsinns wie der Verrücktheit zu besprechen haben, bezieht sich auf das gegen beide Krankheitszustände anzuwendende Heilverfahren. Dasselbe ist teils physisch, teils psychisch. Die erstere Seite kann zuweilen für sich allein ausreichen; meistens wird jedoch dabei die Zuhilfenahme der psychischen Behandlung nötig, die ihrerseits gleichfalls mitunter für sich allein zu genügen vermag. Etwas ganz allgemein Anwendbares läßt sich für die physische Seite der Heilung nicht angeben. Das dabei zur Anwendung kommende Medizinische geht im Gegenteil sehr ins Empirische, somit ins Unsichere. Soviel steht indessen fest, daß das früher in Bedlam gebrauchte Verfahren von allen das schlechteste ist, da dasselbe auf ein vierteljährlich veranstaltetes allgemeines Durchlaxierenlassen der Wahnsinnigen beschränkt war. Auf physischem Wege sind übrigens Geisteskranke mitunter gerade durch dasjenige geheilt worden, was imstande ist, die Verrücktheit bei denen, die sie nicht haben, hervorzubringen, - nämlich durch heftiges Fallen auf den Kopf. So soll z. B. der berühmte Montfaucon 5) in seiner Jugend auf jene Weise von Stumpfsinnigkeit befreit worden sein. Die Hauptsache bleibt immer die psychische Behandlung. Während diese gegen den Blödsinn nichts auszurichten vermag, kann dieselbe gegen die eigentliche Narrheit und den Wahnsinn häufig mit Erfolg wirken, weil bei diesen Seelenzuständen noch eine Lebendigkeit des Bewußtseins stattfindet und neben der auf eine besondere Vorstellung sich beziehenden Verrücktheit noch ein in seinen übrigen Vorstellungen vernünftiges Bewußtsein besteht, das ein geschickter Seelenarzt zu einer Gewalt über jene Besonderheit zu entwickeln fähig ist. (Diesen in den Narren und in den Wahnsinnigen vorhandenen Rest von Vernunft als die Grundlage der Heilung aufgefaßt und nach dieser Auffassung die Behandlung jener Geisteskranken eingerichtet zu haben, ist besonders das Verdienst Pinels, dessen Schrift über den fraglichen Gegenstand für das Beste erklärt werden muß, das in diesem Fache existiert.6) Vor allen Dingen kommt es beim psychischen Heilverfahren darauf an, daß man das Zutrauen der Irren gewinnt. Dasselbe kann erworben werden, weil die Verrückten noch sittliche Wesen sind. Am sichersten aber wird man in den Besitz ihres Vertrauens dann gelangen, wenn man gegen sie zwar ein offenes Benehmen beobachtet, jedoch diese Offenheit nicht in einen direkten Angriff auf die verrückte Vorstellung ausarten läßt. Ein Beispiel von dieser Behandlungsweise und von deren glücklichem Erfolge erzählt Pinel. Ein sonst gutmütiger Mensch wurde verrückt, mußte, da er tolles, anderen möglicherweise schädliches Zeug machte, eingesperrt werden, geriet darüber in Wut, ward deshalb gebunden, verfiel aber in einen noch höheren Grad von Raserei. Man brachte ihn daher nach einem Tollhause. Hier ließ sich der Aufseher mit dem Ankömmling in ein ruhiges Gespräch ein, gab dessen verkehrten Äußerungen nach, besänftigte ihn dadurch, befahl dann das Lösen seiner Banden, führte selber ihn in seine neue Wohnung und heilte diesen Geisteskranken durch Fortsetzung eines solchen Verfahrens in ganz kurzer Zeit. - Nachdem man das Vertrauen der Irren sich erworben hat, muß man über sie eine gerechte Autorität zu gewinnen und in ihnen das Gefühl zu erwecken suchen, daß es überhaupt etwas Wichtiges und Würdiges gibt. Die Verrückten fühlen ihre geistige Schwäche, ihre Abhängigkeit von den Vernünftigen. Dadurch ist es den letzteren möglich, sich bei jenen in Respekt zu setzen. Indem der Verrückte den ihn Behandelnden achten lernt, bekommt er die Fähigkeit, seiner mit der Objektivität in Widerspruch befindlichen Subjektivität Gewalt anzutun. Solange er dies noch nicht vermag, haben andere diese Gewalt gegen ihn auszuüben. Wenn daher Verrückte sich zum Beispiel weigern, irgend etwas zu essen, oder wenn sie sogar die Dinge um sich her zerstören, so versteht es sich, daß so etwas nicht geduldet werden kann. Besonders muß man, was bei vornehmen Personen, z. B. bei Georg III., oft sehr schwierig ist, den Eigendünkel der Hochmutsnarren dadurch beugen, daß man diesen ihre Abhängigkeit fühlbar macht. Von diesem Fall und dem dabei zu beobachtenden Verfahren findet sich bei Pinel folgendes mitteilungswerte Beispiel. Ein Mensch, der sich für Mohammed hielt, kam stolz und aufgeblasen nach dem Irrenhause, verlangte Huldigung, fällte täglich eine Menge Verbannungs- und Todesurteile und tobte auf eine souveräne Weise. Obgleich man nun seinem Wahne nicht widersprach, so untersagte man ihm doch das Toben als etwas Unschickliches, sperrte ihn, da er nicht gehorchte, ein und machte ihm über sein Betragen Vorstellungen. Er versprach, sich zu bessern, wurde losgelassen, verfiel aber wieder in Tobsucht. Jetzt fuhr man diesen Mohammed heftig an, sperrte ihn von neuem ein und erklärte ihm, daß er kein Erbarmen mehr zu hoffen habe. Abgeredetermaßen ließ sich jedoch die Frau des Aufsehers von ihm durch sein flehentliches Bitten um Freiheit erweichen, forderte von ihm das feste Versprechen, seine Freiheit nicht durch Toben zu mißbrauchen, weil er ihr dadurch Unannehmlichkeiten verursachen würde, und machte ihn los, nachdem er jenes Versprechen geleistet hatte. Von diesem Augenblick an betrug er sich gut. Bekam er noch einen Anfall von Wut, so war ein Blick der Aufseherin hinreichend, ihn in seine Kammer zu treiben, um dort sein Toben zu verbergen. Diese seine Achtung vor jener Frau und sein Wille, über seine Tobsucht zu siegen, stellten ihn in sechs Monaten wieder her. Wie in dem eben erzählten Fall geschehen ist, muß man überhaupt, bei aller bisweilen gegen die Verrückten notwendig werdenden Strenge, immer bedenken, daß dieselben wegen ihrer noch nicht gänzlich zerstörten Vernünftigkeit eine rücksichtsvolle Behandlung verdienen. Die gegen diese Unglücklichen anzuwendende Gewalt darf deshalb niemals eine andere sein als eine solche, die zugleich die moralische Bedeutung einer gerechten Strafe hat. Die Irren haben noch ein Gefühl von dem, was recht und gut ist; sie wissen z. B., daß man anderen nicht schaden soll. Daher kann ihnen das Schlechte, das sie begangen haben, vorgestellt, zugerechnet und an ihnen bestraft, die Gerechtigkeit der gegen sie verhängten Strafe ihnen faßlich gemacht werden. Dadurch erweitert man ihr besseres Selbst, und indem dies geschieht, gewinnen sie Zutrauen zu ihrer eigenen sittlichen Kraft. Zu diesem Punkt gelangt, werden sie fähig, durch den Umgang mit guten Menschen völlig zu genesen. Durch eine harte, hochmütige, verächtliche Behandlung dagegen kann das moralische Selbstgefühl der Verrückten leicht so stark verletzt werden, daß sie in die höchste Wut und Tobsucht geraten. - Auch darf man nicht die Unvorsichtigkeit begehen, den Verrückten, namentlich den religiösen Narren, irgend etwas, das ihrer Verdrehtheit zur Bestärkung dienen könnte, nahekommen zu lassen. Im Gegenteil muß man sich bemühen, die Verrückten auf andere Gedanken zu bringen und sie darüber ihre Grille vergessen zu machen. Dies Flüssigwerden der fixen Vorstellung wird besonders dadurch erreicht, daß man die Irren nötigt, sich geistig und vornehmlich körperlich zu beschäftigen; durch die Arbeit werden sie aus ihrer kranken Subjektivität herausgerissen und zu dem Wirklichen hingetrieben. Daher ist der Fall vorgekommen, daß in Schottland ein Pächter wegen der Heilung der Narren berühmt wurde, obgleich sein Verfahren einzig und allein darin bestand, daß er die Narren zu halben Dutzenden vor einen Pflug spannte und bis zur höchsten Ermüdung arbeiten ließ. - Unter den zunächst auf den Leib wirkenden Mitteln hat sich vorzüglich die Schaukel bei Verrückten, namentlich bei Tobsüchtigen, als heilsam erwiesen. Durch das Sichhinundherbewegen auf der Schaukel wird der Wahnsinnige schwindelig und seine fixe Vorstellung schwankend. Sehr viel kann aber auch durch plötzliches und starkes Einwirken auf die Vorstellung der Verrückten für deren Wiederherstellung geleistet werden. Zwar sind die Narren höchst mißtrauisch, wenn sie merken, daß man danach trachtet, sie von ihrer fixen Vorstellung abzubringen. Zugleich sind sie jedoch dumm und lassen sich leicht überraschen. Man kann sie daher nicht selten dadurch heilen, daß man in ihre Verdrehtheit einzugehen sich den Schein gibt und dann plötzlich etwas tut, worin der Verrückte eine Befreiung von seinem eingebildeten Übel erblickt. So wurde bekanntlich ein Engländer, der einen Heuwagen mit vier Pferden im Leibe zu haben glaubte, von diesem Wahne durch einen Arzt befreit, der durch die Versicherung, daß er jenen Wagen und jene Pferde fühle, das Zutrauen des Verrückten gewann, ihm dann einredete, ein Mittel zur Verkleinerung jener vermeintlich im Magen sich befindenden Dinge zu besitzen, zuletzt dem Geisteskranken ein Brechmittel gab und ihn zum Fenster hinausbrechen ließ, als auf Veranstaltung des Arztes unten zum Hause hinaus ein Heuwagen fuhr, welchen der Verrückte ausgebrochen zu haben meinte. - Eine andere Weise, auf die Verrücktheit heilend zu wirken, besteht darin, daß man die Narren bewegt, Handlungen zu vollbringen, die eine unmittelbare Widerlegung der eigentümlichen Narrheit sind, von welcher sie geplagt werden. So wurde z. B. jemand, der sich einbildete, gläserne Füße zu haben, durch einen verstellten Raubanfall geheilt, da er bei demselben seine Füße zur Flucht höchst brauchbar fand. Ein anderer, der sich für tot hielt, bewegungslos war und nichts essen wollte, erlangte seinen Verstand auf die Weise wieder, daß man, scheinbar in seine Narrheit eingehend, ihn in einen Sarg legte und in eine Gruft brachte, in welcher sich ein zweiter Sarg und in demselben ein anderer Mensch befand, der anfangs sich tot stellte, bald aber, nachdem er mit jenem Verrückten allein gelassen war, sich aufrichtete, diesem sein Behagen darüber ausdrückte, daß er jetzt Gesellschaft im Tode habe, endlich aufstand, von vorhandenen Speisen aß und dem sich darüber verwundernden Verrückten sagte, er sei schon lange tot und wisse daher, wie es die Toten machen. Der Verrückte beruhigte sich bei dieser Versicherung, aß und trank gleichfalls und wurde geheilt. - Mitunter kann die Narrheit auch durch das unmittelbar auf die Vorstellung wirkende Wort, durch einen Witz geheilt werden. So genas z. B. ein sich für den Heiligen Geist haltender Narr dadurch, daß ein anderer Narr zu ihm sagte: wie kannst denn du der Heilige Geist sein? der bin ja ich. Ein ebenso interessantes Beispiel ist ein Uhrmacher, der sich einbildete, er sei unschuldig guillotiniert worden; der darüber Reue empfindende Richter habe befohlen, ihm seinen Kopf wiederzugeben, durch eine unglückliche Verwechslung sei ihm aber ein fremder, viel schlechterer, äußerst unbrauchbarer Kopf aufgesetzt worden. Als dieser Narr einst die Legende verteidigte, nach welcher der heilige Dionysius seinen eigenen abgeschlagenen Kopf geküßt hat, da entgegnete ihm ein anderer Narr: "Du Erznarr, womit soll denn der heilige Dionysius geküßt haben, - etwa mit seiner Ferse?" Diese Frage erschütterte jenen verrückten Uhrmacher dermaßen, daß er von seiner Marotte völlig genas. Solcher Witz wird jedoch die Narrheit nur in dem Fall gänzlich vernichten, wenn diese Krankheit bereits an Intensität verloren hat.
3) Philippe Pinel, 1745-1825, französischer Irrenarzt, "öffnete" die Irrenhäuser; Traité médico-philosophique sur l'aliénation mentale ou la manie, Paris 1801
4) "Die Ordnung der Dinge und der Ideen ist dieselbe." Ethik II, Prop. 7
5) Bernard de Montfaucon, 1655-1741, Altertumsforscher
6) Philippe Pinel, 1745-1825, französischer Irrenarzt, "öffnete" die Irrenhäuser; Traité médico-philosophique sur l'aliénation mentale ou la manie, Paris 1801
(HEGEL: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im GrundrisseÎ. Selbstgefühl )
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