sampea84b4b190df19da                                          HEGEL  -   Religion

 

 

G.W.F. Hegel

Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes

Sechzehnte Vorlesung

Das Bisherige hat das Dialektische, die absolute Flüssigkeit der Bestimmungen, die in die Bewegung eintreten, welche diese erste Erhebung des Geistes zu Gott ist, zum Gegenstande gehabt.
Nun ist noch das Resultat, von dem angenommenen Ausgangspunkte bestimmt, für sich zu betrachten.

Dies Resultat ist das absolut notwendige Wesen; - der Sinn eines Resultates ist bekannt, daß es dies nur so ist, daß darin die Bestimmung der Vermittlung und damit des Resultates ebenso aufgehoben ist; - die Vermittlung war das Sichselbstaufheben der Vermittlung. - Wesen ist die noch ganz abstrakte Identität mit sich; es ist weder Subjekt, noch weniger Geist.
Die ganze Bestimmung fällt in die absolute Notwendigkeit, die als Sein ebenso unmittelbar
Seiendes ist,
in der Tat an sich zum Subjekte sich beschließt, aber zunächst in der bloß oberflächlichen Form von Seiendem, Absolut-Notwendigem.

Daß aber diese Bestimmung für unsere Vorstellung Gottes nicht hinreicht, diesen Mangel lassen wir einstweilen insofern beiseite gestellt sein, als bereits angegeben worden, daß die anderen Beweise die weiteren, konkreteren Bestimmungen herbeiführen.
Aber es sind Religionen und philosophische Systeme, deren Mangelhaftigkeit darin liegt,
daß sie nicht über die Bestimmung der absoluten Notwendigkeit hinausgegangen sind.
Die konkreteren Gestalten, in welchen dies Prinzip in den ersteren ausgebildet ist, zu betrachten, gehört in die Philosophie der Religion und in die Geschichte der Religionen.
Hier mag nach dieser Seite nur dies bemerkt werden, daß überhaupt die Religionen, denen solche Bestimmtheit zugrunde liegt, in der inneren Konsequenz des konkreten Geistes reicher, mannigfaltiger werden, als das abstrakte Prinzip zunächst mit sich bringt; in der Erscheinung und in dem Bewußtsein fügen sich die weiteren Momente der erfüllteren Idee, inkonsequent gegen jenes abstrakte Prinzip, hinzu.
Aber es ist wesentlich zu unterscheiden, ob diese Zusätze der Gestaltung nur der Phantasie angehören und das Konkrete in seinem Innern nicht über jene Abstraktion hinausgeht, so daß, wie in der orientalischen, namentlich der indischen Mythologie, der unendliche Reichtum von Götterpersonen, die nicht nur als Mächte überhaupt, sondern als selbstbewußte, wollende Figuren eingeführt werden, doch geistlos bleibt, - oder aber, jener einen Notwendigkeit unerachtet, in diesen Personen das höhere geistige Prinzip und damit in ihren Verehrern die geistige Freiheit aufgetaucht ist.
So sehen wir die absolute Notwendigkeit als das Schicksal in der Religion der Griechen als das Oberste, Letzte gestellt und nur unter demselben noch den heiteren Kreis konkreter, lebendiger, auch als geistig und bewußt vorgestellter Götter, die sich wie in der genannten und anderen Mythologien zu einer weiten Menge von Heroen, Nymphen des Meeres, der Flüsse usf., der Musen, der Faune usf. ausdehnen und teils als Chor und Begleitung, als weitere Partikularisationen eines der göttlichen höheren Häupter, teils als Gebilde von geringerem Gehalt überhaupt sich an die gewöhnliche Äußerlichkeit der Welt und ihre Zufälligkeiten anschließen. Hier macht die Notwendigkeit die abstrakte Macht über alle die besonderen geistigen, sittlichen und natürlichen Mächte aus, aber diese letzteren behalten teils nur die Bedeutung geistloser, natürlicher Macht, die der Notwendigkeit ganz verfallen bleibt, und ihre Persönlichkeiten sind nur Personifikationen, teils aber, ob sie gleich auch nicht Personen genannt zu werden verdienen, enthalten sie die höhere Bestimmung der subjektiven Freiheit in sich und stehen auf dieser über ihrer Herrin, der Notwendigkeit, der nur die Beschränktheit dieses tieferen Prinzips noch unterworfen ist, welches Prinzip anderwärtsher seine Reinigung von dieser Endlichkeit, in der es zunächst hervortritt, zu erwarten und für sich in seiner unendlichen Freiheit sich zu manifestieren hat.

Die konsequente Durchführung der Kategorie der absoluten Notwendigkeit ist in Systemen nachzusehen, die vom abstrakten Gedanken ausgehen; diese Durchführung betrifft die Beziehung dieses Prinzips auf die Mannigfaltigkeit der natürlichen und geistigen Welt. Die absolute Notwendigkeit als das einzige Wahre und wahrhaft Wirkliche zugrunde gelegt, - in welches Verhältnis sind die weltlichen Dinge zu ihr gesetzt?
Diese Dinge sind nicht nur die natürlichen, sondern auch der Geist, die geistige Individualität mit allen ihren Begriffen, Interessen und Zwecken. Dies Verhältnis ist aber schon in jenem Prinzip bestimmt; sie sind zufällige Dinge. Ferner sind sie von der absoluten Notwendigkeit selbst unterschieden; aber sie haben kein selbständiges Sein gegen sie, aber diese damit auch nicht gegen sie, - es ist nur ein Sein, und dies kommt der Notwendigkeit zu; die Dinge sind nur dies, ihr zuzufallen.
Das, was wir als die absolute Notwendigkeit bestimmt haben, ist näher zum allgemeinen Sein, zur Substanz zu hypostasieren; als Resultat ist sie die durch Aufheben der Vermittlung mit sich vermittelte
Einheit,
- so einfaches Sein, sie allein das Subsistieren der Dinge.
Wenn vorhin an die Notwendigkeit als griechisches Schicksal erinnert worden ist, so ist sie die bestimmungslose Macht; aber das
Sein selbst ist von jener Abstraktion schon zu diesen herabgestiegen, über denen sie sein soll. Jedoch wäre auch das Wesen oder die Substanz selbst nur das Abstraktum,
so hätten die Dinge außer ihr das selbständige Bestehen konkreter Individualität;
sie muß zugleich als die Macht derselben bestimmt sein, das negative Prinzip, welches sich in ihnen geltend macht, wodurch sie eben das Vergehende, Vergängliche,
nur Erscheinung sind.
Dies Negative haben wir als die eigene Natur der zufälligen Dinge gesehen; sie haben diese Macht so an ihnen selbst und sind nicht Erscheinung überhaupt, sondern die Erscheinung der Notwendigkeit.
Diese enthält die Dinge oder vielmehr in ihrem Momente der Vermittlung, ist aber nicht durch Anderes ihrer selbst vermittelt, sondern ist die Vermittlung zugleich ihrer selbst mit sich.
Sie ist der Wechsel ihrer absoluten Einheit, sich als Vermittlung zu bestimmen, d. i. als
äußere Notwendigkeit, Verhalten von Anderem zu Anderem, d. i. in die unendliche Vielheit, die in sich durch und durch bedingte Welt sich zu zerstreuen, aber so, daß sie die äußerliche Vermittlung, die zufällige Welt zu einer Erscheinungswelt herabsetzt und in ihr als deren Macht in diesem Nichtigen mit sich selbst zusammengeht, sich selbst sich gleichsetzt. So ist alles in sie eingeschlossen, und sie ist in allem unmittelbar gegenwärtig; sie ist von der Welt sowohl das Sein als der Wechsel und die Veränderung.

Die Bestimmung der Notwendigkeit, wie ihr spekulativer Begriff sich uns expliziert hat, ist überhaupt der Standpunkt, welcher Pantheismus genannt zu werden pflegt und bald entwickelter und ausdrücklicher,
bald oberflächlicher das angegebene Verhältnis ausspricht. Schon das Interesse, das dieser Name in neueren Zeiten wieder erweckt hat, noch mehr das Interesse des Prinzips selbst erfordert, unsere Aufmerksamkeit noch darauf zu richten. Der Mißverstand, der in Ansehung desselben obwaltet, kann nicht unerwähnt und unberichtigt gelassen werden, und dann ist auch die Stellung des Prinzips in der höheren Totalität, der wahrhaften Idee Gottes, im Zusammenhange damit zu erwägen.
Indem vorhin die Betrachtung der religiösen Gestaltung des Prinzips auf die Seite gestellt worden, so kann, um ein Bild von demselben vor die Vorstellung zu bringen, für den ausgebildetsten Pantheismus die
indische Religion angeführt werden, mit welcher Ausbildung dies zugleich verbunden ist, daß die absolute Substanz, das in sich Einige, in der Form des Denkens unterschieden von der akzidentellen Welt als existierend vorgestellt wird. Die Religion enthält für sich wesentlich das Verhältnis des Menschen zu Gott, und als Pantheismus läßt sie das eine Wesen um so weniger in der Objektivität stehen, in welcher die Metaphysik dasselbe als Gegenstand belassen und zu halten die Bestimmung zu haben meint.
Auf den merkwürdigen Charakter dieser Subjektivierung der Substanz ist zuerst aufmerksam zu machen. Das selbstbewußte Denken macht nämlich nicht nur jene Abstraktion der Substanz, sondern ist dieses Abstrahieren selbst; es ist diese selbst einfache Einheit als für sich existierend, welche die Substanz heißt.
So wird dies Denken als die Welten erschaffende und erhaltende und ebenso deren partikularisiertes Dasein verändernde, umwandelnde Macht gewußt.
Dies Denken heißt
Brahman; es existiert als das natürliche Selbstbewußtsein der Brahmanen und als das Selbstbewußtsein anderer, welche ihr mannigfaltiges Bewußtsein, Empfindungen, sinnliche und geistige Interessen und die Regsamkeit in denselben bezwingen, ertöten und es zur vollkommenen Einfachheit und Leerheit jener substantiellen Einheit reduzieren. So gilt dies Denken, diese Abstraktion des Menschen in sich als die Macht der Welt.
- Die allgemeine Macht partikularisiert sich zu Göttern, die jedoch zeitlich und vergänglich sind, oder, was dasselbe ist, alle Lebendigkeit, geistige wie natürliche Individualität wird aus der Endlichkeit ihres nach allen Seiten bedingten Zusammenhangs gerissen, - aller Verstand an demselben getilgt und in die Gestalt daseiender Göttlichkeit erhoben.

Wie erinnert, erscheint in diesen Pantheismen als Religionen das Prinzip der Individualisation in der Inkonsequenz gegen die Macht der substantiellen Einheit. Die Individualität wird zwar nicht bis zur Persönlichkeit gesteigert, aber die Macht entfaltet sich wild genug als Inkonsequenz des Übergehens in das Entgegengesetzte; wir befinden uns auf einem Boden zügelloser Verrücktheit, wo die gemeinste Gegenwart unmittelbar zu einem Göttlichen erhoben und die Substanz in endlicher Gestalt existierend vorgestellt ist und ebenso unmittelbar die Gestaltung sich verflüchtigt.

Die orientalische Weltanschauung ist im allgemeinen diese Erhabenheit, welche alle Vereinzelung in die besonderen Gestaltungen und die partikularen Existenzen und Interessen in das Weite führt, das Eine in Allem anschaut und dies für sich abstrakte Eine eben damit in alle Herrlichkeit und Pracht des natürlichen und geistigen Universums kleidet. Die Seele ihrer Dichter taucht sich in diesen Ozean, ertränkt darin alle Bedürfnisse, Zwecke und Sorgen eines kleinlichen, gebundenen Lebens und schwelgt in dem Genuß dieser Freiheit, zu dem sie alle Schönheit der Welt als Schmuck und Zierat verwenden.

Schon aus diesem Bild erhellt das, worüber ich mich anderwärts erklärt habe, daß der Ausdruck Pantheismus oder vielmehr der deutsche Ausdruck, in welchen er etwa umgesetzt wird, daß Gott das Eine und alles sei - τtο εeν αaι` πpαaν -, zu der falschen Vorstellung führt, daß in pantheistischer Religion oder Philosophie alles, d. h. jede Existenz in ihrer Endlichkeit und Einzelheit seiend als Gott oder als ein Gott ausgesprochen, das Endliche als seiend vergöttert werde.
Dergleichen Zumutung kann nur in einen bornierten menschlichen oder vielmehr Schulverstand kommen, welcher gänzlich unbekümmert um das, was wirklich ist, sich eine Kategorie, und zwar die der endlichen Vereinzelung festsetzt und die Mannigfaltigkeit, von der er gesprochen findet, nun als feste, seiende, substantielle Vereinzelung faßt.
Es ist nicht zu verkennen, daß die wesentliche und christliche Bestimmung der Freiheit und der Individualität, die als frei unendlich in sich und Persönlichkeit ist, den Verstand dazu verleitet, die Vereinzelung der Endlichkeit in der Kategorie eines
seienden, unveränderlichen Atoms zu fassen und das Moment des Negativen, welches in der Macht und in deren allgemeinem Systeme liegt, zu übersehen.
Alles, d. h. alle Dinge in ihrer existierenden Vereinzelung seien Gott, - so stellt er sich den Pantheismus vor, indem er das πpαν in dieser bestimmten Kategorie von allem und jedem Einzelnen nimmt; eine solche Ungereimtheit ist keinem Menschen je in den Kopf gekommen außer solchen Anklägern des Pantheismus.
Dieser ist vielmehr das Gegenteil der Ansicht, die sie ihm zuschreiben: das Endliche, Zufällige ist
nicht das für sich Bestehende, - im affirmativen Sinne nur Manifestation, Offenbarung des Einen, die Erscheinung nur desselben, die für sich selbst nur Zufälligkeit ist; sogar ist die negative Seite, das Untergehen in der Macht, die Idealität des Seienden als momentanen Ausgangspunktes die überwiegende Seite.
Wohingegen jener Verstand dafür hält, daß diese Dinge für sich sind, ihr Wesen in sich haben und so in und nach dieser endlichen Wesenheit göttlich sein oder gar Gott sein sollen; sie können von der Absolutheit des Endlichen nicht loskommen und in der
Einheit mit dem Göttlichen sich nicht dasselbe als aufgehoben und verschwindend denken, sondern erhalten es sich darin immer noch als seiend;
vielmehr, indem das Endliche, wie sie sagen, durch den Pantheismus verunendlicht wird, eben hiermit hat das Endliche kein Sein mehr.

Die philosophischen Systeme der Substantialität - es ist vorzuziehen, sie so und nicht Systeme des Pantheismus zu nennen, wegen jener falschen Vorstellung, die sich mit diesem Namen verknüpft
(unter den alten ist im allgemeinen das
eleatische, unter den neueren das spinozistische System zu nennen) - sind, wie erinnert, konsequenter als die Religionen, indem sie an der metaphysischen Abstraktion festhalten.
Die eine Seite des Mangels, mit dem sie behaftet sind, ist die in der Verstandesvorstellung des Ganges der Erhebung aufgezeigte Einseitigkeit, - nämlich daß sie von dem vorhandenen Dasein anfangen, dasselbe als ein Nichtiges, und als die Wahrheit desselben das absolute Eine erkennen.
Sie haben eine Voraussetzung, negieren sie in der absoluten Einheit, aber kommen nicht zurück daraus zu jener Voraussetzung; sie lassen die Welt, welche selbst nur in einer Abstraktion der Zufälligkeit, des Vielen usf. gefaßt ist, nicht aus der Substanz erzeugt werden.
Es geht alles nur in diese Einheit als in die ewige Nacht, ohne daß sie als Prinzip bestimmt wäre, welches sich selbst zu seiner Manifestation bewegte, welches produzierte, - als das
Unbewegte, welches bewegt, nach dem tiefen Ausdrucke des Aristoteles.

a) In diesen Systemen ist das Absolute, ist Gott bestimmt als das Eine, das Sein, das Sein in allem Dasein, die absolute Substanz, das nicht nur durch Anderes, sondern an und für sich notwendige Wesen,
die
causa sui - Ursache seiner selbst und damit Wirkung seiner selbst, d. i. die sich selbst aufhebende Vermittlung. Die Einheit in dieser letzteren Bestimmung gehört einem unendlich tiefer gebildeten Denken an als die abstrakte des Seins oder des Einen.
Dieser Begriff ist zur Genüge erläutert worden; causa sui ist ein sehr frappanter Ausdruck für dieselbe, und es kann daher noch eine erläuternde Rücksicht darauf genommen werden. Das Verhältnis von Ursache und Wirkung gehört dem aufgezeigten Momente der Vermittlung durch Anderes an, das wir in der Notwendigkeit gesehen haben, und ist die bestimmte Form derselben; durch ein Anderes ist etwas vollständig vermittelt, insofern dies Andere seine Ursache ist. Diese ist die ursprüngliche Sache als schlechthin unmittelbar und selbständig, die Wirkung dagegen das nur Gesetzte, Abhängige usf.

Der Gegensatz als von Sein und Nichts, Einem und Vielem usf. enthält seine Bestimmungen so, daß sie in ihrer Beziehung aufeinander gleichen, auch noch außerdem als unbezogen für sich gelten;
das Positive, das Ganze usf. ist auf das Negative, die Teile wohl bezogen, und diese Beziehung gehört zu ihrem wesentlichen Sinn, aber außer dieser Beziehung hat das Positive wie das Negative, das Ganze,
die Teile usf. auch noch die Bedeutung einer Existenz für sich.
Aber die Ursache und Wirkung haben schlechthin nur ihren Sinn in ihrer Beziehung.
Die Ursache geht nicht darüber hinaus, eine Wirkung zu haben: der Stein, der fällt, hat die Wirkung eines Drucks auf den Gegenstand, auf welchen er fällt; außer dieser Wirkung, die er als ein schwerer Körper hat, ist er sonst noch physikalisch besondert und von anderen gleich schweren Körpern verschieden, oder indem er in diesem Drucke fortdauernd Ursache ist; nehmen wir zum Beispiel, daß seine Wirkung vorübergehend ist, indem er einen anderen Körper zerschlägt, so hört er insofern auf, Ursache zu sein, und ist gleichfalls außer dieser Beziehung ein Stein, was er vorher war. Dies schwebt der Vorstellung vornehmlich vor, insofern sie sich die Sache als die ursprüngliche, auch außerhalb ihres Wirkens beharrende bestimmt. Allein der Stein bleibt außer jener seiner Wirkung allerdings Stein, allein nicht Ursache; dies ist er nur in seiner Wirkung, nimmt man die Zeitbestimmung, während seiner Wirkung.

Ursache und Wirkung sind so überhaupt untrennbar; jede hat nur so weit Sinn und Sein, als sie in dieser Beziehung auf die andere ist, und doch sollen sie schlechthin verschieden sein. Wir bleiben ebenso fest dabei stehen, daß die Ursache nicht die Wirkung und die Wirkung nicht die Ursache ist, und der Verstand hält hartnäckig an diesem Fürsichsein jeder dieser Bestimmungen, an ihrer Beziehungslosigkeit.

Wenn wir aber gesehen haben, daß die Ursache von der Wirkung untrennbar ist, daß sie nur einen Sinn hat in dieser, so ist somit die Ursache selbst vermittelt durch die Wirkung; in und durch die Wirkung ist sie erst Ursache. Dies heißt aber nichts anderes, als die Ursache ist Ursache ihrer selbst, nicht eines Anderen; denn dies, was das Andere sein sollte, ist so, daß in ihm die Ursache erst Ursache, darin also nur bei sich selbst ankommt, darin nur sich bewirkt.

Jacobi hat auf diese spinozistische Bestimmung, die causa sui, reflektiert (Über die Lehre des Spinoza in Briefen, 2. Ausg., S. 416*) , und ich führe seine Kritik darüber auch deswegen an, weil sie ein Beispiel ist, wie Jacobi - der Anführer der Partei des unmittelbaren Wissens, des Glaubens, der den Verstand so sehr verwirft -, indem er Gedanken betrachtet, über den bloßen Verstand nicht hinauskommt.
Ich übergehe, was er am angeführten Orte über den Unterschied der Kategorie von Grund und Folge und der von Ursache und Wirkung angibt und an diesem Unterschiede auch in späteren polemischen Aufsätzen eine wahrhafte Bestimmung für die Natur Gottes zu haben glaubt; ich führe nur die nächste Folge an, die er angibt, daß man aus der Verwechslung beider habe, daß man
glücklich herausbringe,
"daß die
Dinge entstehen können, ohne daß sie entstehen, sich verändern, ohne sich zu verändern,
vor- und nacheinander sein können, ohne vor- und nacheinander zu sein".
Solche Folgerungen aber sind zu ungereimt, als daß darüber weiter etwas zu sagen wäre; der Widerspruch, auf den der Verstand einen Satz hinausgebracht hat, ist ein
Letztes, schlechthin die Grenze am Horizont des Denkens, über die man nicht weiter kann, sondern davor nur umkehren muß.
Die Auflösung aber dieses Widerspruchs haben wir gesehen und wollen dieselbe auf die Gestalt, in der er hier vorkommt und behauptet wird, anwenden oder vielmehr nur kurz die Beurteilung obiger Behauptung anzeigen. Unmittelbar ungereimt soll die angegebene Konsequenz sein, daß Dinge entstehen können, ohne zu entstehen, sich verändern, ohne sich zu verändern usf. Wir sehen, daß damit die Vermittlung durch Anderes
mit sich, die Vermittlung als sich aufhebende Vermittlung ausgedrückt ist, aber geradezu verworfen wird.
Der abstrakte Ausdruck "die Dinge" tut das Seinige, um Endliches vor die Vorstellung zu bringen; das Endliche ist ein solches beschränktes Sein, dem nur die eine Qualität von entgegengesetzten zukommen kann, das in der anderen nicht bei sich bleibt, sondern nur zugrunde geht.
Aber das Unendliche ist diese Vermittlung durch das Andere mit sich selbst, und ohne die Exposition dieses Begriffs zu wiederholen, nehmen wir ein Beispiel, und selbst nur aus dem Kreise des natürlichen, nicht einmal des geistigen Daseins, - das Lebendige überhaupt. Was uns als dessen Selbsterhaltung wohl bekannt ist, ist in Gedanken ausgedrückt "glücklich" dies unendliche Verhältnis, daß das lebendige Individuum, von dessen Selbsterhaltungsprozeß, ohne auf andere Bestimmungen desselben Rücksicht zu nehmen, wir allein hier sprechen,
sich in seiner Existenz fortdauernd hervorbringt; diese Existenz ist nicht ein ruhendes, identisches Sein, sondern schlechthin Entstehen, Veränderung, Vermittlung mit Anderem, aber die in sich zurückkehrt. Die Lebendigkeit des Lebendigen ist, sich entstehen zu machen, und es ist schon; so kann man, was freilich ein gewaltsamer Ausdruck ist, wohl sagen: ein solches Ding entsteht, ohne zu entstehen.
Es verändert sich; jeder Pulsschlag ist durch alle Pulsadern nicht nur, sondern durch alle Punkte aller seiner Gebilde eine Veränderung, worin es dasselbe Individuum bleibt, und es bleibt nur dasselbe, schlechthin insofern es diese in sich verändernde Tätigkeit ist.
So kann man von ihm sagen, daß es sich verändere, ohne sich zu verändern, und zuletzt sogar,
daß
es, freilich nicht die Dinge, vorher sei, ohne vorher zu sein, wie wir von der Ursache eingesehen haben, daß sie vorher, die ursprüngliche Sache, ist, aber zugleich vorher, vor ihrer Wirkung, nicht Ursache ist usf. Es ist aber tädiös und würde selbst eine endlose Arbeit sein, die Ausdrücke zu verfolgen und einzurichten,
in denen sich der Verstand seinen endlichen Kategorien hingibt und diese als etwas Festes gelten läßt.

Dieses Vernichten der Verstandeskategorie der Kausalität ist in dem Begriffe geschehen, der als causa sui ausgedrückt worden ist. Jacobi, ohne diese Negation des endlichen Verhältnisses, das Spekulative, darin zu erkennen, fertigt ihn bloß auf psychologischem oder, wenn man will, pragmatischem Wege ab.
Er gibt an, daß 'aus dem apodiktischen Satze, daß
alles eine Ursache haben müsse, es hart gehalten habe, zu folgern, daß nicht alles eine Ursache haben könne. Darum habe man die causa sui erfunden'.
Wohl kommt es den Verstand hart an, nicht nur etwa jenen ihm apodiktischen Satz aufgeben und noch irgendein anderes Können (das sich übrigens in dem angeführten Ausdruck schief ausnimmt) annehmen zu sollen, - aber nicht die Vernunft, welche vielmehr solches endliche Verhältnis der Vermittlung mit Anderem als freier, besonders religiöser Menschengeist aufgibt und dessen Widerspruch, auch wie er sich im Gedanken zum Bewußtsein kommt, im Gedanken auch aufzulösen weiß.

Solche dialektische Entwicklung, wie sie hier gegeben worden, gehört jedoch noch nicht den Systemen der einfachen Substantialität, den Pantheismen an; sie bleiben beim Sein, Substanz stehen, welche Form wir wieder aufnehmen wollen. Für sich diese Bestimmung genommen, ist sie Grundlage aller Religionen und Philosophien; in allen ist Gott absolutes Sein, ein Wesen, das schlechthin an und für sich selbst, nicht durch Anderes bestehend besteht, schlechthin Selbständigkeit ist.

b) Diese so abstrakten Bestimmungen gehen nicht weit und sind sehr ungenügend; Aristoteles (Metaphysik I, 5) sagt von Xenophanes, "der zuerst einte (ἑνίσsας)... : er hat nichts Deutliches vorgebracht und ebenso in den ganzen Himmel" (wie wir sagen: so ins Blaue hinein) "schauend gesagt, das Eine sei Gott". Wenn nun die folgenden Eleaten näher aufgezeigt, daß das Viele und die Bestimmungen, die auf der Vielheit beruhen, auf den Widerspruch führen und sich ins Nichts auflösen, und wenn bei Spinoza insbesondere alles Endliche in die Einheit der Substanz versinkt, so geht für diese selbst keine weitere, konkrete, fruchtbare Bestimmung hervor.
Die Entwicklung betrifft nur die Form der Ausgangspunkte, die eine subjektive Reflexion vor sich hat und ihrer Dialektik, durch welche sie das selbständig erscheinende Besondere und Endliche in jene Allgemeinheit zurückführt.
Bei
Parmenides findet sich zwar, daß dies Eine als Denken bestimmt wird oder daß das Denkende das Seiende ist, auch bei Spinoza ist die Substanz als Einheit des Seins (der Ausdehnung) und des Denkens bestimmt; allein darum kann man nicht sagen, dies Sein oder die Substanz sei hiermit als denkend, d. h. als sich in sich bestimmende Tätigkeit gesetzt; sondern die Einheit des Seins und des Denkens bleibt als das Eine, Unbewegte, Starre gefaßt. Es ist äußerliche Unterscheidung, in Attribute und Modi, Bewegung und Willen, Unterscheiden des Verstandes.
- Das Eine ist nicht expliziert als die sich entwickelnde Notwendigkeit, - nicht, wie ihr Begriff angegeben worden ist, als der Prozeß, der sie in ihr mit sich vermittelt. Wenn hier das Prinzip der Bewegung fehlt,
so ist dasselbe wohl in konkreteren Prinzipien, dem
Fließen des Heraklit, auch der Zahl usf. wohl vorhanden, aber teils ist die Einheit des Seins, die göttliche Sichselbstgleichheit nicht erhalten, teils ist solches Prinzip mit der gemein seienden Welt in ebensolchem Verhältnis als jenes Sein, Eines oder Substanz.

c) Außer diesem Einen findet sich nun eben vor die zufällige Welt, das Sein mit der Bestimmung des Negativen, das Reich der Beschränkungen und Endlichkeiten, - wobei es keinen Unterschied macht,
ob dieses Reich als ein Reich des äußerlichen Daseins, des Scheins, oder nach der Bestimmung des oberflächlichen Idealismus als eine nur subjektive Welt, eine Welt des Bewußtseins vorgestellt wird.
Diese Mannigfaltigkeit mit ihren unendlichen Verwicklungen ist getrennt zunächst von jener Substanz,
und es ist zu sehen, welches Verhältnis ihr zu diesem Einen gegeben wird.
Einesteils wird dies Dasein der Welt nur vorgefunden. Spinoza, dessen System das entwickeltste ist, fängt in seiner Darstellung von Definitionen an, d. h. von vorhandenen Bestimmungen des Denkens und der Vorstellung überhaupt; es sind die Ausgangspunkte des Bewußtseins vorausgesetzt. Anderenteils formiert der Verstand diese akzidentelle Welt zu einem Systeme, nach den Verhältnissen, Kategorien äußerlicher Notwendigkeit.
-
Parmenides gibt die Anfänge eines Systems der Erscheinungswelt, an dessen Spitze die Göttin,
die Notwendigkeit gestellt ist. -
Spinoza hat keine Naturphilosophie gemacht; aber den anderen Teil der konkreten Philosophie, eine Ethik abgehandelt; diese war einerseits konsequenter, wenigstens im allgemeinen an das Prinzip der absoluten Substanz anzuknüpfen, weil die höchste Bestimmung des Menschen seine Richtung auf Gott, - die reine Liebe Gottes in dem Ausdruck Spinozas sub specie aeterni ist. Allein die Prinzipien der philosophischen Betrachtung, der Inhalt, die Ausgangspunkte haben keinen Zusammenhang mit der Substanz selbst; - alle systematische Ausführung der Erscheinungswelt, so konsequent sie in sich selbst ist, macht sich nach dem gewöhnlichen Verfahren, das Wahrgenommene aufzunehmen, zu einer gewöhnlichen Wissenschaft, in welcher das, was als das Absolute selbst anerkannt wird, das Eine, die Substanz nicht lebendig sein soll, nicht das Bewegende darin, nicht die Methode,
denn sie ist bestimmungslos. Es bleibt von ihr für die Erscheinungswelt nichts, als daß eben diese natürliche und geistige Welt überhaupt ganz abstrakt, Erscheinungswelt ist, oder dies, daß das Sein der Welt, als affirmativ, das Sein, das Eine, die Substanz ist, daß die Besonderung, wodurch das Sein eine Welt ist, die Evolution, Emanation, ein Herausfallen der Substanz aus sich selbst in die Endlichkeit, eine ganz begrifflose Weise ist, so daß in der Substanz selbst kein Prinzip einer Bestimmung ist, schöpferisch zu sein, - und drittens, daß sie die ebenso abstrakte Macht, das Setzen der Endlichkeit als eines Negativen, das Vergehen derselben ist.

(Geschlossen am 19. August 1829)

*) Friedrich Heinrich Jacobi, Über die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn, neue verm. Ausgabe, Breslau 1789, VII. Beilage

 

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