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G.W.F. Hegel

Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes

Fünfzehnte Vorlesung

Der Zusammenhang dieser Gedankenbestimmungen, der den ganzen Inhalt des in Rede stehenden Beweises ausmacht, daß derselbe dem nicht entspricht, was in dem Beweise geleistet werden soll, davon ist nachher noch wesentlich zu sprechen -, ist im Bisherigen schon Gegenstand unserer Untersuchung gewesen;
aber die eigentlich spekulative Seite des Zusammenhangs ist noch zurück, und hier ist, ohne diese logische Untersuchung hier auszuführen, anzugeben, welche Bestimmung desselben sie betrifft.
Das Moment, auf das hauptsächlich in diesem Zusammenhange aufmerksam gemacht worden, ist,
daß er ein Übergang, d. h. daß das, wovon ausgegangen worden ist, darin die Bestimmung eines Negativen hat, als ein zufälliges Sein, nur als Erscheinung ist, welches seine Wahrheit an dem
Absolut-Notwendigen, dem wahrhaft Affirmativen desselben habe.
Was nun dabei fürs erste die erstere Bestimmung, das negative Moment, betrifft, so gehört zur spekulativen Auffassung nur dies, daß dasselbe nicht als das bloße Nichts genommen wird.
Es ist nicht so abstrakt vorhanden, sondern ist nur ein Moment in der Zufälligkeit der Welt, das Negative so nicht als das abstrakte Nichts zu nehmen, soll daher keine Schwierigkeit haben.
In dem, was die Vorstellung als die Zufälligkeit, Beschränktheit, Endlichkeit, Erscheinung vor sich hat,
hat sie ein Dasein, eine Existenz, aber wesentlich die Negation darin;
die Vorstellung ist konkreter und wahrer als der abstrahierende Verstand, der, wenn er von einem Negativen hört, zu leicht das Nichts daraus macht,
das bloße Nichts, das Nichts als solches, und jene Verbindung aufgibt, in der es mit der Existenz gesetzt ist, insofern diese als zufällige, erscheinende usf. bestimmt wird.
Die denkende Analyse zeigt in solchem Inhalt die beiden Momente eines Affirmativen, des Daseins,
der Existenz als eines Seins aber auch desselben, das in sich die Bestimmung des Endes, des Fallens,
der Schranke usf. als der Negation hat; das Denken muß sie, um das Zufällige zu fassen, nicht auseinanderfallen lassen, in ein Nichts für sich und in ein Sein für sich, denn so sind sie nicht im Zufälligen, sondern es faßt beide in sich; sie sind also nicht - jedes für sich in der Verbindung miteinander
- das Zufällige selbst, *) wie es ist, als diese Verbindung beider zu nehmen.
Dies ist denn die spekulative Bestimmung; sie bleibt dem Inhalte der Vorstellung getreu, wogegen dem abstrakten Denken, welches die beiden Momente, jedes für sich, festhält, dieser Inhalt entflohen ist;
er hat das, was Gegenstand des Verstandes ist, das Zufällige aufgelöst.

Das Zufällige ist nun, so bestimmt, der Widerspruch in sich; das sich Auflösende gleichfalls somit eben ein solches, wie es unter den Händen des Verstandes geworden ist. Aber die Auflösung ist zweierlei;
durch die, welche der Verstand vorgenommen hat, ist der Gegenstand, die konkrete Verbindung, nur verschwunden, in der anderen Auflösung ist derselbe noch erhalten.
Diese Erhaltung jedoch hilft ihm nicht viel oder nichts, denn er ist in derselben als der Widerspruch bestimmt, und der Widerspruch löst sich auf; was sich widerspricht, ist nichts.
So richtig dies ist, so unrichtig ist es zugleich. Widerspruch und Nichts sind doch wenigstens voneinander unterschieden.
Der Widerspruch ist konkret, er hat noch einen Inhalt, er enthält noch solche, die sich widersprechen,
er spricht sie noch, er sagt es aus, von was er der Widerspruch ist; das Nichts hingegen spricht nicht mehr, ist inhaltslos, das vollkommen Leere. Diese konkrete Bestimmung des einen und die ganz abstrakte des anderen ist ein sehr wichtiger Unterschied. Ferner ist auch Nichts gar nicht der Widerspruch. Nichts widerspricht sich nicht, es ist identisch mit sich; es erfüllt daher den logischen Satz, daß etwas sich nicht widersprechen solle, vollkommen, oder wenn dieser Satz so ausgesprochen wird: nichts soll sich widersprechen, so ist dies nur ein Sollen, das keinen Erfolg hat, denn Nichts tut das nicht, was es soll, es widerspricht sich nämlich nicht. Wenn aber thetisch gesagt wird: nichts, was ist, widerspricht sich, so hat es damit unmittelbar seine Richtigkeit, denn das Subjekt dieses Satzes ist ein Nichts, was aber ist;
aber Nichts selbst als solches ist nur einfach, die eine Bestimmung, die sich selbst gleich ist, sich nicht widerspricht.

So nur treibt die Auflösung des Widerspruches in Nichts, wie sie der Verstand macht, sich im Leeren oder näher im Widerspruche selbst herum, der durch solche Auflösung sich in der Tat als noch bestehend, als unaufgelöst kundgibt. Daß der Widerspruch so noch unaufgelöst ist, ist eben dies, daß der Inhalt, das Zufällige, nur erst in seiner Negation-in-sich gesetzt ist, noch nicht in der Affirmation, welche in dieser Auflösung, da sie nicht das abstrakte Nichts ist, enthalten sein muß.
Das Zufällige selbst ist freilich zunächst, wie es sich der Vorstellung präsentiert, ein Affirmatives;
es ist ein Dasein, Existenz, es ist die Welt,
- Affirmation, Realität, oder wie man es nennen will,
genug und drüber. Aber so ist es noch nicht in seiner Auflösung gesetzt, nicht in der Auslegung seines Inhalts und Gehalts, und dieser ist es eben, der zu seiner Wahrheit, dem Absolut-Notwendigen, führen soll, und das Zufällige ist es sogleich selbst, in dem die Endlichkeit, Beschränktheit der Welt so weit, wie gesagt worden, herauspräpariert ist, um unmittelbar selbst seine Auflösung, nämlich nach der angegebenen negativen Seite, zu bedeuten.
- Die Auflösung nun weiter dieses im Widerspruche auch als aufgelöst gesetzten Zufälligen ist als das Affirmative angegeben, welches in ihr enthalten sei. Diese Auflösung ist bereits angegeben; sie ist aus der Vorstellung des Menschensinnes auf- und angenommen worden als der Übergang des Geistes von dem Zufälligen zum Absolut-Notwendigen, welches hiernach selbst eben dies Affirmative, die Auflösung jener ersten, nur negativen Auflösung wäre.
Das Spekulative noch dieses letzten, innersten Punktes angeben, heißt ebenfalls nichts anderes,
als nur die Gedanken vollständig zusammennehmen, die in dem schon vorliegen, bei dem wir stehen,
nämlich in jener ersten Auflösung; der Verstand, der sie nur als den Widerspruch auffaßte,
der sich in nichts auflöse, nimmt nur die eine der darin enthaltenen Bestimmungen auf und läßt die andere weg.

Der Sache nach ist das konkrete Resultat in seiner explizierten Gestalt, d. i. die spekulative Form desselben, bereits und längst aufgestellt, nämlich in der Bestimmung, welche von der absoluten Notwendigkeit gegeben worden ist. Aber es ist dabei für die Momente, die zu derselben gehören oder aus denen sie resultiert, äußerliche Reflexion und Räsonnement gebraucht worden; es ist hier nur dies zu tun,
jene Momente in dem selbst bemerklich zu machen, was wir als den Widerspruch, der die Auflösung des Zufälligen ist, gesehen haben.
In der absoluten Notwendigkeit sahen wir erstens das Moment der Vermittlung, und zwar zunächst durch Anderes. In der Analyse des Zufälligen zeigt dieselbe sogleich so, daß dessen Momente
- Sein überhaupt oder weltliche Existenz, und die Negation derselben, wodurch sie zur Bedeutung eines Scheines, eines an sich Nichtigen herabgesetzt wird
- jedes nicht für sich isoliert, sondern als der einen Bestimmung, nämlich dem Zufälligen zukommend, schlechthin in der Beziehung auf das Andere ist.
Nur in dieser hat hier jedes seinen Sinn; diese eine, sie zusammenhaltende Bestimmung ist das sie Vermittelnde. In ihr nun wohl ist das eine vermittels des anderen; aber außerhalb ihrer kann jedes für sich sein und soll jedes sogar für sich sein, das Sein für sich und die Negation für sich.
Nehmen wir aber jenes Sein in der konkreteren Gestalt, in der wir es hier haben, nämlich als die weltliche Existenz, so geben wir doch wohl zu, daß dieselbe nicht für sich, nicht absolut, nicht ewig,
sondern vielmehr an sich nichtig ist, ein Sein wohl hat, aber nicht ein Fürsichseiendes,
- denn eben dieses Sein ist als Zufälliges bestimmt. Wenn nun so in der Zufälligkeit jede der beiden Bestimmungen nur in der Beziehung auf die andere ist, so erscheint diese Vermittlung derselben selbst zufällig, nur vereinzelt, nur an diesem Orte vorhanden. Was das Unbefriedigende ist, ist, daß die Bestimmungen für sich genommen werden können, das heißt so, wie sie selbst als solche seien, sich nur auf sich beziehen, also unmittelbar, so an ihnen selbst nicht vermittelt sind.
Die Vermittlung ist ihnen somit nur etwas äußerlich Angetanes, also selbst Zufälliges;
d. h. die eigene innere Notwendigkeit der Zufälligkeit ist nicht dargetan.

Diese Reflexion führt somit auf die Notwendigkeit des Ausgangspunkts an ihm selbst, den wir als gegeben, eben als Ausgangspunkt aufgenommen haben, - sie führt auf den Übergang nicht vom Zufälligen zum Notwendigen, sondern der an sich innerhalb des Zufälligen selbst statthat, von einem jeden der Momente aus, die dasselbe konstituieren, zu seinem Anderen. Dies würde zur Analyse der ersten abstrakten logischen [Momente] zurückführen, und es genügt hier, die Zufälligkeit als das Übergehen an ihm selbst, sein Sichselbstaufheben, wie es in der Vorstellung ist, anzunehmen.

Damit ist zugleich das zweite Moment der absoluten Notwendigkeit in der aufgezeigten Auflösung der Zufälligkeit angegeben, nämlich das der Vermittlung mit sich selbst. Die Momente der Zufälligkeit sind zunächst Andere gegeneinander, und jedes ist so darin gesetzt als vermittelt mit einem Anderen seiner.
Aber in der Einheit beider ist jedes ein Negiertes; damit ist ihr Unterschied aufgehoben,
und indem noch von dem Einen beider gesprochen wird, so ist es nicht mehr bezogen auf ein von ihm Unterschiedenes, hiermit auf sich selbst, die Vermittlung also mit sich gesetzt.

Die spekulative Betrachtung hat demnach diesen Sinn, daß sie das Zufällige an ihm selbst in seiner Auflösung erkennt, welche zunächst als eine äußerliche Analyse dieser Bestimmung erscheint.
Aber sie ist nicht nur dies, sondern ist die Auflösung derselben an ihr selbst; das Zufällige selbst ist dies, sich aufzulösen, an ihm das Übergehen zu sein. Aber zweitens ist diese Auflösung nicht die Abstraktion des Nichts,
sondern sie ist die Affirmation an ihr - diese Affirmation, welche wir die absolute Notwendigkeit nennen.
So ist dieses Übergehen begriffen. Das Resultat ist als immanent im Zufälligen aufgezeigt, d. i. dieses ist es selbst, in seine Wahrheit umzuschlagen, und die Erhebung unseres Geistes zu Gott - insofern wir vorläufig für Gott keine weitere Bestimmung haben als die des absolut notwendigen Seins oder indem wir uns vorderhand mit derselben begnügen - ist das Durchlaufen dieser Bewegung der Sache; es ist diese Sache an und für sich selbst, welche in uns treibt, diese Bewegung in uns treibt.

Es ist schon bemerkt worden, daß für das Bewußtsein, welches die Gedankenbestimmungen nicht in dieser ihrer reinen, spekulativen Bestimmung und damit nicht in dieser ihrer Selbstauflösung und Selbstbewegung vor sich hat, sondern sich dieselben vorstellt, der Übergang dadurch sich erleichtert, daß das, wovon ausgegangen wird, das Zufällige, schon selbst die Bedeutung hat, das sich Auflösende, Übergehende zu sein; dadurch ist ihm der Zusammenhang von dem, wovon ausgegangen wird, zu dem, bei welchem angelangt wird, für sich klar.
Dieser Ausgangspunkt ist damit für das Bewußtsein der vorteilhafteste, zweckmäßigste;
es ist der Instinkt des Denkens, der an sich jenen Übergang macht, der die Sache ist, aber der ihn auch in solcher Denkbestimmung ins Bewußtsein bringt, daß er für dessen bloßes Vorstellen leicht, nämlich abstrakt-identisch erscheint: eben die Welt, als das Zufällige bestimmt, ist ausgesprochen als auf ihr Nichtsein hinzeigend, auf das Andere ihrer als ihre Wahrheit.

So ist der Übergang verständlich gemacht dadurch, daß er in dem Ausgangspunkt nicht nur an sich liegt, sondern daß auch dieser das Übergehen sogleich bedeutet, d. h. diese Bestimmung auch gesetzt, also an ihm ist; auf diese Weise ist ihr Dasein für das Bewußtsein gegeben, welches eben insofern sich vorstellend verhält, als es mit unmittelbarem Dasein zu tun hat, das hier eine Denkbestimmung ist.
Ebenso verständlich ist das Resultat, das Absolut-Notwendige; es enthält die Vermittlung, und für das Verständlichste gilt eben dieser Verstand des Zusammenhanges überhaupt, der in endlicher Weise als der Zusammenhang des Einen mit einem Anderen genommen wird, aber auch, insofern solcher Zusammenhang in sein ungenügendes Ende verfällt, hiergegen das Korrektiv mit sich führt.
Solcher Zusammenhang führt für sich, indem dessen Gesetz immer in seinem Stoffe die Forderung vor sich hat, sich zu wiederholen, immer zu einem Anderen, d. i. einem Negativen; das Affirmative, das in diesem Fortgang wiederkehrt, ist nur ein solches, das nur von sich fortschickt, und das eine sowohl als das andere ist so ohne Rast und Befriedigung. Aber das Absolut-Notwendige, indem es einerseits jenen Zusammenhang selbst herbeibringt, ist es dies, ihn ebenso abzubrechen, das Hinausgehen in sich zurückzubringen und das Letzte zu gewähren: das Absolut-Notwendige ist, weil es ist.
So ist jenes Andere und das Hinausgehen nach dem Anderen beseitigt und durch diese bewußtlose Inkonsequenz die Befriedigung gewährt.

 *)   ergänzt nach Lasson

 

 

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