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Ausführung des ontologischen Beweises in den Vorlesungen über Religionsphilosophie vom Jahre 1831
In der Sphäre der offenbaren Religion ist zuerst der abstrakte Begriff Gottes zu betrachten. Der freie, reine, offenbare Begriff ist die Grundlage; seine Manifestation, sein Sein für Anderes ist sein Dasein, und der Boden seines Daseins ist der endliche Geist. Dies ist das Zweite; der endliche Geist und das endliche Bewußtsein sind konkret. Die Hauptsache in dieser Religion ist, diesen Prozeß zu erkennen, daß Gott sich im endlichen Geist manifestiert und darin identisch mit sich ist. Die Identität des Begriffs und des Daseins ist das Dritte. (Identität ist hier eigentlich ein schiefer Ausdruck, denn es ist wesentlich Lebendigkeit in Gott.)
In den bisherigen Formen haben wir ein Aufsteigen gehabt, ein Anfangen von einem Dasein in unterschiedenen Bestimmungen. Das Sein wurde einmal in der umfassendsten Bestimmung genommen als zufälliges Sein im kosmologischen Beweise: die Wahrheit des zufälligen Seins ist das an und für sich notwendige Sein. Das Dasein wurde ferner gefaßt als Zweckbeziehungen in sich enthaltend, und dies gab den teleologischen Beweis: hier ist ein Aufsteigen, ein Anfangen von einem gegebenen, vorhandenen Dasein. Diese Beweise fallen damit in die Endlichkeit der Bestimmung Gottes. Der Begriff Gottes ist das Grenzenlose, nicht nach der schlechten Grenzenlosigkeit, sondern vielmehr zugleich das Bestimmteste, die reine Selbstbestimmung; jene ersten Beweise fallen auf die Seite eines endlichen Zusammenhanges, der endlichen Bestimmung, indem von einem Gegebenen angefangen wird. Hier hingegen ist der Anfang der freie, reine Begriff, und es tritt somit auf dieser Stufe der ontologische Beweis vom Dasein Gottes ein, er macht die abstrakte, metaphysische Grundlage dieser Stufe aus; auch ist er erst im Christentum durch Anselm von Canterbury aufgefunden worden. Er wird dann bei allen späteren Philosophen, Cartesius, Leibniz, Wolff aufgeführt, doch immer neben den anderen Beweisen, obgleich er allein der wahrhafte ist.
Der ontologische Beweis geht vom Begriffe aus. Der Begriff wird für etwas Subjektives gehalten und ist so bestimmt, wie er dem Objekte und der Realität entgegengesetzt ist; er ist hier das Anfangende, und das Interesse ist, aufzuzeigen, daß diesem Begriffe auch das Sein zukomme. Der nähere Gang ist nun dieser: Es wird der Begriff von Gott aufgestellt und gezeigt, daß er nicht anders gefaßt werden könne als so, daß er das Sein in sich schließt. Insofern vom Begriffe das Sein unterschieden wird, so ist er nur subjektiv in unserem Denken; so subjektiv ist er das Unvollkommene, das nur in den endlichen Geist fällt. Daß es nun nicht nur unser Begriff ist, sondern daß er auch ist unabhängig von unserem Denken, das soll aufgezeigt werden.
Anselm führt den Beweis einfach so: Gott ist das Vollkommenste, über welches hinaus nichts gedacht werden kann. Wenn Gott bloße Vorstellung ist, so ist er nicht das Vollkommene; dies ist aber im Widerspruch mit dem ersten Satze, denn wir achten das für vollkommen, was nicht nur Vorstellung ist, sondern dem auch das Sein zukommt. Wenn Gott nur subjektiv ist, so können wir etwas Höheres aufstellen, dem auch das Sein zukommt. Dies ist dann weiter ausgeführt worden. Es wird mit dem Vollkommensten angefangen und dieses als das allerrealste Wesen bestimmt, als Inbegriff aller Realitäten; man hat das die Möglichkeit geheißen. Der Begriff als subjektiver, indem man ihn von dem Sein unterscheidet, ist der nur mögliche, oder er soll wenigstens der mögliche sein; Möglichkeit ist nach der alten Logik nur da, wo kein Widerspruch aufgezeigt werden kann. Die Realitäten sollen demnach in Gott nur nach der affirmativen Seite genommen werden, schrankenlos, so daß die Negation weggelassen werden soll. Es ist leicht aufzuzeigen, daß dann nur die Abstraktion des mit sich Einen übrigbleibt; denn wenn wir von Realitäten sprechen, so sind das unterschiedene Bestimmungen, als Weisheit, Gerechtigkeit, Allmacht, Allwissenheit. Diese Bestimmungen sind Eigenschaften, die leicht als im Widerspruch miteinander stehend aufgezeigt werden können: die Güte ist nicht die Gerechtigkeit; die absolute Macht widerspricht der Weisheit, denn diese setzt Endzwecke voraus, die Macht dagegen ist das Schrankenlose der Negation und der Produktion. Wenn nach der Forderung der Begriff sich nicht widersprechen soll, so muß alle Bestimmtheit wegfallen, denn jeder Unterschied treibt sich zur Entgegensetzung fort. Gott ist der Inbegriff aller Realitäten, sagt man; eine derselben ist nun auch das Sein: so wird das Sein mit dem Begriff verbunden. - Dieser Beweis hat sich bis auf die neuere Zeit erhalten; besonders ausgeführt finden wir ihn in Mendelssohns Morgenstunden.*) Spinoza bestimmt den Begriff Gottes so, daß er dasjenige ist, was nicht ohne Sein konzipiert werden kann. Das Endliche ist das, dessen Dasein dem Begriffe nicht entspricht. Die Gattung ist realisiert in den daseienden Individuen; aber diese sind vergänglich. Die Gattung ist das Allgemeine für sich, da entspricht das Dasein nicht dem Begriffe. Hingegen in dem in sich bestimmten Unendlichen muß die Realität dem Begriffe entsprechen, - dies ist die Idee, Einheit des Subjekts und Objekts.
Kant hat diesen Beweis kritisiert; was er einwendet, ist folgendes. Wenn man Gott als den Inbegriff aller Realitäten bestimme, so gehöre das Sein nicht dazu, denn das Sein sei keine Realität; es kommt nämlich zu dem Begriffe nichts hinzu, - ob er ist oder ob er nicht ist, er bleibt dasselbe. Schon zu Anselms Zeit brachte ein Mönch dasselbe vor; er sagte: das, was ich mir vorstelle, ist darum doch noch nicht. Kant behauptet: hundert Taler, ob ich sie bloß vorstelle oder habe, bleiben für sich dasselbe; somit sei das Sein keine Realität, denn es komme dadurch nichts zum Begriffe hinzu. Es kann zugegeben werden, daß das Sein keine Inhaltsbestimmung ist; aber es soll ja nichts zum Begriff hinzukommen (ohnehin ist es schon sehr schief, jede schlechte Existenz einen Begriff zu nennen), sondern ihm vielmehr der Mangel genommen werden, daß er nur ein Subjektives, nicht die Idee ist. Der Begriff, der nur ein Subjektives und getrennt von Sein ist, ist ein Nichtiges. In der Form des Beweises, wie ihn Anselm gibt, besteht die Unendlichkeit eben darin, nicht ein Einseitiges zu sein, ein bloß Subjektives, dem nicht das Sein zukäme. Der Verstand hält Sein und Begriff streng auseinander, jedes als identisch mit sich; aber schon nach der gewöhnlichen Vorstellung ist der Begriff ohne Sein ein Einseitiges und Unwahres, und ebenso das Sein, in dem kein Begriff ist, das begrifflose Sein. Dieser Gegensatz, der in die Endlichkeit fällt, kann bei dem Unendlichen, Gott, gar nicht statthaben.
Nun ist aber hier folgender Umstand, der eben den Beweis unbefriedigend macht. Jenes Allervollkommenste und Allerrealste ist nämlich eine Voraussetzung, an welcher gemessen das Sein für sich und der Begriff für sich Einseitige sind. Bei Cartesius und Spinoza ist Gott als Ursache seiner selbst definiert; Begriff und Dasein ist eine Identität, oder Gott als Begriff kann nicht gefaßt werden ohne Sein. Daß dies eine Voraussetzung ist, ist das Ungenügende, so daß der Begriff an ihr gemessen ein Subjektives sein muß.
Das Endliche und Subjektive ist aber nicht nur ein Endliches gemessen an jener Voraussetzung: es ist an ihm endlich und somit der Gegensatz seiner selbst; es ist der unaufgelöste Widerspruch. Das Sein soll verschieden von dem Begriff sein; man glaubt diesen festhalten zu können als subjektiven, als endlichen, aber die Bestimmung des Seins ist am Begriffe selbst. Diese Endlichkeit der Subjektivität ist an ihm selbst aufgehoben, und die Einheit des Seins und des Begriffs ist nicht eine Voraussetzung gegen ihn, an der er gemessen wird. - Das Sein in seiner Unmittelbarkeit ist zufälliges; wir haben gesehen, daß seine Wahrheit die Notwendigkeit ist. Der Begriff enthält ferner notwendig das Sein: dieses ist einfache Beziehung auf sich, Vermittlungslosigkeit; der Begriff, wenn wir ihn betrachten, ist das, worin aller Unterschied sich absorbiert hat, worin alle Bestimmungen nur als ideell sind. Diese Idealität ist die aufgehobene Vermittlung, aufgehobene Unterschiedenheit, vollkommene Klarheit, reine Helligkeit und Beisichselbstsein; die Freiheit des Begriffs ist selbst die absolute Beziehung auf sich, die Identität, die auch die Unmittelbarkeit ist, vermittlungslose Einheit. Der Begriff hat so das Sein an ihm selbst, er ist selbst dies, seine Einseitigkeit aufzuheben; es ist bloße Meinung, wenn man das Sein vom Begriff entfernt zu haben glaubt. Wenn Kant sagt, man könne aus dem Begriff die Realität nicht herausklauben, so ist da der Begriff als endlich gefaßt. Das Endliche ist aber dies sich selbst Aufhebende, und indem wir so den Begriff als getrennt vom Sein hatten betrachten sollen, hatten wir eben die Beziehung auf sich, die das Sein ist an ihm selber.
Der Begriff hat aber nicht nur an sich das Sein in sich, nicht nur wir sehen dies ein, sondern er ist auch für sich das Sein; er hebt selbst seine Subjektivität auf und objektiviert sich. Der Mensch realisiert seine Zwecke, d. h. was nur erst Ideelles war, dem wird seine Einseitigkeit genommen, und es wird damit zum Seienden gemacht; der Begriff ist ewig diese Tätigkeit, das Sein identisch mit sich zu setzen. Im Anschauen, Fühlen usw. haben wir äußerliche Objekte vor uns; wir nehmen sie aber in uns auf, und so sind die Objekte ideell in uns. Der Begriff ist so diese Tätigkeit, seinen Unterschied aufzuheben. Wenn die Natur des Begriffs eingesehen wird, so ist die Identität mit dem Sein nicht mehr Voraussetzung, sondern Resultat. Der Gang ist dieser, daß der Begriff sich objektiviert, sich zur Realität macht, und so ist er die Wahrheit, Einheit des Subjekts und Objekts. Gott ist ein unsterblich Lebendiges, sagt Platon, dessen Leib und Seele in Einem gesetzt sind. Diejenigen, die beide Seiten trennen, bleiben beim Endlichen und Unwahren stehen.
Der Standpunkt, auf dem wir uns befinden, ist der christliche. - Wir haben hier den Begriff Gottes in seiner ganzen Freiheit; dieser Begriff ist identisch mit dem Sein. Sein ist die allerärmste Abstraktion; der Begriff ist nicht so arm, daß er diese Bestimmung nicht in sich hätte. Das Sein haben wir nicht in der Armut der Abstraktion, in der schlechten Unmittelbarkeit zu betrachten, sondern das Sein als das Sein Gottes, als das ganz konkrete Sein, unterschieden von Gott. Das Bewußtsein des endlichen Geistes ist das konkrete Sein, das Material der Realisierung des Begriffs Gottes. Hier ist nicht von einem Hinzukommen des Seins zu dem Begriffe die Rede oder bloß von einer Einheit des Begriffs und des Seins - dergleichen sind schiefe Ausdrücke; die Einheit ist vielmehr als absoluter Prozeß, als die Lebendigkeit Gottes so zu fassen, daß auch beide Seiten in ihr unterschieden sind, daß sie aber die absolute Tätigkeit ist, sich ewig hervorzubringen. Wir haben hier die konkrete Vorstellung Gottes als des Geistes. Der Begriff des Geistes ist der an und für sich seiende Begriff, das Wissen; dieser unendliche Begriff ist die negative Beziehung auf sich. Dieses gesetzt, so ist er das Urteilen, das Sichunterscheiden; das Unterschiedene, das zunächst wohl als Äußerliches, Geistloses, Außergöttliches erscheint, ist aber identisch mit dem Begriff. Die Entwicklung dieser Idee ist die absolute Wahrheit. In der christlichen Religion wird es gewußt, daß Gott sich geoffenbart hat, und Gott ist gerade dieses, sich zu offenbaren; offenbaren ist sich unterscheiden; das Offenbarte ist eben dieses, daß Gott der offenbare ist.
Die Religion muß für alle Menschen sein: für die, welche ihr Denken so gereinigt haben, daß sie das, was ist, im reinen Elemente des Denkens wissen, die zur spekulativen Erkenntnis dessen, was Gott ist, gekommen sind, sowie für die, welche nicht über Gefühl und Vorstellung hinausgekommen sind.
Der Mensch ist nicht nur rein denkend, sondern das Denken selbst manifestiert sich als Anschauen, als Vorstellen; die absolute Wahrheit, die dem Menschen geoffenbart ist, muß also auch für ihn als Vorstellenden, als Anschauenden, für ihn als fühlenden, empfindenden Menschen sein. Dies ist die Form, nach der sich die Religion überhaupt von der Philosophie unterscheidet. Die Philosophie denkt, was sonst nur für die Vorstellung und für die Anschauung ist. Der vorstellende Mensch ist als Mensch auch denkend, und der Gehalt der Wahrheit kommt an ihn als denkenden; nur das Denkende kann Religion haben, und Denken ist auch Vorstellen; jenes ist aber allein die freie Form der Wahrheit. Der Verstand ist auch denkend; er bleibt aber bei der Identität stehen: der Begriff ist Begriff und das Sein ist Sein. Solche Einseitigkeiten bleiben ihm fest; in der Wahrheit dagegen gelten diese Endlichkeiten nicht mehr als identisch für sich, daß sie sind, sondern sie sind nur Momente einer Totalität.
Die, welche es der Philosophie verargen, daß sie die Religion denkt, wissen nicht, was sie verlangen. Der Haß und die Eitelkeit sind dabei zugleich im Spiel unter dem äußeren Schein der Demut; die wahre Demut besteht darin, den Geist in die Wahrheit zu versenken, in das Innerste, den Gegenstand allein nur an sich zu haben; so verschwindet alles Subjektive, das noch im Empfinden vorhanden ist. - Wir haben die Idee rein spekulativ zu betrachten und sie gegen den Verstand zu rechtfertigen, gegen ihn, der sich gegen allen Inhalt der Religion überhaupt empört. Dieser Inhalt heißt Mysterium, weil er dem Verstande ein Verborgenes ist, denn er kommt nicht zu dem Prozeß, der diese Einheit ist: daher ist alles Spekulative dem Verstande ein Mysterium.
*) Moses Mendelssohn, Morgenstunden oder Vorlesungen über das Dasein Gottes, Berlin 1785
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