Der Gegensatz des Christlichen und Mohammedanischen ist, daß in Christus die Geistigkeit konkret entwickelt ist und als Dreieinigkeit, d. h. als Geist gewußt wird und daß die Geschichte des Menschen, das Verhältnis zu dem Einen, konkrete Geschichte ist, den Anfang hat vom natürlichen Willen (der ist, wie er nicht sein soll) und das Aufgeben desselben ist, das Sichwerden durch diese Negation seiner zu diesem seinem Wesen. Der Mohammedaner haßt und verbannt alles Konkrete; Gott ist der absolut Eine, wogegen der Mensch keinen Zweck, keine Partikularität, keine Eigentümlichkeit für sich behält. Der existierende Mensch partikularisiert sich allerdings in seinen Neigungen, Interessen, und diese sind hier um so wilder, ungebändigter, weil die Reflexion ihnen fehlt; aber damit ist auch das vollkommene Gegenteil , alles fallen zu lassen, Gleichgültigkeit gegen jeden Zweck, absoluter Fatalismus, Gleichgültigkeit gegen das Leben, kein praktischer Zweck gilt wesentlich. Indem nun aber der Mensch auch praktisch ist, tätig ist, so kann nun der Zweck selbst nur sein, die Verehrung des Einen in allen Menschen hervorzubringen; daher ist die mohammedanische Religion wesentlich fanatisch.
Die Reflexion, die wir gesehen haben, steht mit dem Mohammedanismus auf einer Stufe, daß Gott keinen Inhalt habe, nicht konkret sei. Also die Erscheinung Gottes im Fleisch, die Erhebung Christi zum Sohne Gottes, die Verklärung der Endlichkeit der Welt und des Selbstbewußtseins zur unendlichen Selbstbestimmung Gottes ist hier nicht vorhanden. Das Christentum gilt nur als Lehre und Christus als Gottgesandter, als göttlicher Lehrer, also als Lehrer wie Sokrates, nur noch vorzüglicher als dieser, da er ohne Sünde gewesen sei. Das ist aber nur eine Halbheit. Entweder war Christus nur ein Mensch oder der "Menschensohn". Von der göttlichen Geschichte bleibt also nichts übrig, und von Christo wird ebenso gesprochen, wie es im Koran geschieht. Der Unterschied dieser Stufe und des Mohammedanismus besteht nur darin, daß der letztere, dessen Anschauung sich im Äther der Unbeschränktheit badet, als diese unendliche Unabhängigkeit alles Besondere, Genuß, Stand, eigene Wissen, alle Eitelkeit schlechthin aufgibt. Hingegen der Standpunkt der verständigen Aufklärung, da für sie Gott jenseits ist und kein affirmatives Verhältnis zum Subjekt hat, stellt den Menschen abstrakt für sich hin, so daß er das affirmative Allgemeine nur, insofern es in ihm ist, anerkannt, aber es nur abstrakt in ihm hat und daher die Erfüllung desselben nur aus der Zufälligkeit und Willkür entnimmt.
G.W.F. Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Religion 3. Die Realisierung des Geistigen zur allgemeinen Wirklichkeit KONTEXT>>>
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